Der Sejm benennt die Massaker in Wolhynien als Genozid

Die polnischen Parlamentarier erklären den 11. Juli zum „Nationalen Gedenktag für die Opfer des Völkermords, den ukrainische Nationalisten an Bürgern der Zweiten Republik begingen“. Der Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, äußert deswegen sein Bedauern.

Polnische FlaggeKünftig soll an diesem Datum an die Massaker erinnert werden, die Mitglieder der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), der Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA) und der SS-Division Galizien zur Zeit der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg an der polnischen Zivilbevölkerung in Wolhynien verübten. Der Höhepunkt der systematischen Mordaktionen, denen zehntausende von Menschen zum Opfer fielen, erfolgte im Juli und August 1943. So wurden beispielsweise am 11. Juli 1943 („Blutiger Sonntag“) fast 100 Dörfer angegriffen. Des Weiteren wurde angemahnt, dass in zahlreichen Fällen eine ehrenvolle Bestattung oder ein würdiges Gedenken noch ausstünde. Daher sollen unter anderem die Stätten der Verbrechen ermittelt und markiert werden sowie eine vollständige Liste der Opfer zusammengestellt werden.

Die ohne Gegenstimme (bei zehn Enthaltungen aus den Reihen der Bürgerplattform und von Nowoczesna) angenommene Resolution bricht zugleich ein Tabu, indem sie die Massaker explizit als Völkermord bezeichnet. An diesem Begriff scheiden sich seit Jahren die Geister sowohl bei Politikern als auch Historikern in den beiden betroffenen Staaten, und trotzdem es sogar Vergleiche der Ereignisse mit dem Holocaust gab, wurde er bislang vermieden. Auf ukrainischer Seite verwehrt man sich energisch dagegen und ist geschichtspolitisch bestrebt, das Ausmaß des Massakers herunterzuspielen bzw. auch die von Polen verübten Morde herauszustellen. Schließlich treffen die Vorwürfe an OUN und UPA einen heiklen Punkt des nationalen Selbstverständnisses der Ukraine, die deren Mitglieder offiziell als Helden des Unabhängigkeitskampfes eingestuft hat. Zuletzt führte eine Gruppe ukrainischer Parlamentsabgeordneter auch das Interesse an guten nachbarschaftlichen Beziehungen ins Feld, hatte allerdings nur insofern Erfolg, als der Sejm seine Entschließung erst elf Tage nach dem Jahrestag traf.

Entsprechend erklärte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko anschließend sein Bedauern über diese Einordnung der wolhynischen Massaker, trotzdem die polnischen Abgeordneten gleichzeitig die „gegen eine externe Aggression um die Bewahrung ihrer territorialen Integrität kämpfende Ukraine“ ihrer Solidarität versicherten. Auch andere Stimmen wie die des Direktors des Ukrainischen Instituts für nationales Gedenken, Wolodymyr Wiatrowycz, und des ehemaligen Außenministers Borys Tarasjuk, der aus Protest vom Vorsitz der interparlamentarischen Gruppe zurücktrat, kritisierten den Beschluss des Sejm als „Ergebnis einer zunehmenden antiukrainischen Hysterie“. Sie sehen ihn als Versuch nationalistischer Kräfte in Polen, die gegenseitigen Beziehungen zu untergraben, und vermuten Gebietsansprüche auf die Kresy als eigentliches Motiv.




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