Nach dem Brexit – Polnische Regierung wünscht sich die EWG zurück

Für die polnische Regierung wiegt der kommende Brexit schwer, denn nun verliert sie einen wichtigen Mitstreiter für eine wirtschaftliche und gegen eine politische Union. Die Euro-Staaten könnten in der Zukunft mehr Gewicht innerhalb der EU bekommen. Entsprechend harsch sind die Reaktionen aus Warschau. Verantwortlich für den Brexit macht Warschau vor allem den Präsidenten des Europäischen Rates und ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk. Doch sieht Warschau auch die deutsche EU-Politik geschwächt und möchte diese Chance für eine Kompetenzrückverlagerung und weitere Reformen nutzen.

Union Jack, Flagge des Vereinigten Königreichs von GroßbritannienRegierungspolitiker, wie die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo, der polnische Außenminister Witold Waszczykowski, sowie der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski machen vor allem die Führungskräfte der EU für den Brexit verantwortlich und fordern Konsequenzen. Speziell bei Donald Tusk sehen sie eine besondere Schuld, da er den Brexit vorausgeahnt, aber nichts dagegen unternommen habe. Für Waszczykowski ist Tusk keine Führungspersönlichkeit, sondern ein zweit- oder drittklassiger Politiker ohne Ideen für die Lösung der europäischen Probleme. Ähnlich hat sich auch der tschechische Außenminister Lubomir Zaoralek zu EU-Kommissionspräsident Juncker geäußert.

Der polnische Außenminister fordert eine Neugestaltung der EU und eine Überarbeitung der EU-Verträge. Dabei erteilt er einer sozial-politischen Vertiefung der EU im Rahmen des Euro eine Absage. Die Einführung des Euro wäre für Polen seiner Meinung nach eine Katastrophe, ohne den Euro wäre aber Polen von dieser Integration ausgeschlossen. Dies würde, so Waszczykowski die EU weiter teilen.

Auch für die polnische Ministerpräsidentin Szydlo ist die bisherige EU-Politik nach dem Brexit gescheitert. Damit ist für Szydlo auch das deutsch-französische Tandem als Motor der EU-Integration gescheitert und es brauche „neue Ideen“.

Polnische Regierung für ein Vereinigtes Europa souveräner Staaten

In einem Interview hat Kaczynski bereits erste Vorschläge für Reformen gemacht, denen sich Szydlo und Waszczykowski anschlossen und die wahrscheinlich als Grundlage für die polnische Position dienen werden. Darin fordert er ein Ende der weiteren Integration. Darüber hinaus möchte er, dass in den EU-Verträgen die Aufgaben der EU präzisiert werden, damit die einmal beschlossenen Gesetze auch eingehalten werden.

Kaczynski spricht sich gegen das Einstimmigkeitsprinzip aus, doch möchte er, dass die „Ioannina-Klausel“, die einer Minderheit, welche keine Sperrminorität erreicht, trotzdem weiter Verhandlungen bis zu einem Kompromiss garantiert, ausgeweitet wird. Kaczynski möchte diese Sperrminorität, die aktuell nur von Mitgliedsstaaten wahrgenommen werden kann, die mindestens 55 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten auf 15 bis 20 Prozent senken. Damit hätte Polen bei einem Austritt Großbritanniens alleine schon ca. 8,7 Prozent der EU-Bevölkerung. Die Visegrád-Gruppe (Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei), die sich zunehmend zu einem kohärenten Akteur innerhalb der EU mausert, käme dann auf ca. 15 Prozent der EU-Bevölkerung.

Bereits vor dem Brexit-Referendum hat sich der polnische Präsident Andrzej Duda für eine Europäische Union der souveränen Nationalstaaten ausgesprochen, die vor allem auf ökonomischer Ebene miteinander kooperieren sollten. Diese EU würde sich seiner Meinung nach auch Großbritannien wünschen. Faktisch würde dies eine Rückkehr zur EWG bedeuten.

Egal wie die Verhandlungen ausgehen werden, auch in Berlin scheint sich die Meinung durchgesetzt zu haben, dass es in einem absehbaren Zeitraum keine weitere Integration geben wird, da diese vor allem die Haftung Deutschlands erhöhen würde. Ob sich Polen mit seinen Forderungen nach Kompetenzrückverlagerung wird durchsetzen können, wird von der zukünftigen Stimmung und den Mehrheiten in der EU abhängen. Doch wird Warschau zukünftig seine EU-Politik offensiver vertreten.

Bild: Union Jack, Flagge des Vereinigten Königreichs von Großbritannien




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