The Economist publizierte Anfang März eine Rangliste, in der verschiedene gesellschaftliche und ökonomische Faktoren zusammengesetzt wurden, die die Gleichberechtigung der Frauen auf den Arbeitsmärkten in den OECD-Ländern darstellt. Polen rangiert überraschend auf dem vierten Platz. Zum großen Teil ist es dem relativ langen Mutterschaftsurlaub zu verdanken. Nicht alle Experten glauben, das Ergebnis zeige die wahre Lage des polnischen Arbeitsmarktes.
Der diesjährige Frauentag ist bereits vorbei. Besonders in Polen erfreut sich dieser Tag großer Beliebtheit. Vor einigen Tagen wurde die Rangliste The Glass-Ceiling-Index von The Economist veröffentlicht. Dieser Begriff wird als “Gläserne Decke” übersetzt und verwendet, um zu erklären, warum Frauen langsamer als Männer befördert werden, trotz gleicher oder sogar besserer Kompetenzen.
In der Analyse wurden die Bedingungen der Beschäftigung von Frauen verglichen. Dabei wurden neun Kriterien berücksichtigt, wie beispielsweise der Anteil von Frauen mit Hochschulabschluss, Gehälter, Kinderbetreuung, Mutterschutz und die Anzahl der Frauen in Führungspositionen und im Parlament.
Mutterschutz und Aufsichtsräte
Ganz vorne liegt dieses Jahr Finnland (80 Punkte von 100), gefolgt von Norwegen und Schweden (beide 79,4 Punkte). Am Ende der Skala liegen die Türkei, Japan und Südkorea mit 25,6 Punkten. Gleich hinter dem Podium steht ganz unerwartet Polen (73,1 Punkte). Den 15. Platz belegt Deutschland mit 58,4 Punkten knapp unter dem OECD-Durschnitt (60,3 Punkte).
Warum wird die Situation der Frauen auf dem polnischen Arbeitsmarkt so gut bewertet? Dies ist vor allem der Verdienst des 22-wöchigen, vollbezahlten Mutterschaftsurlaubs. Für einen solchen Anspruch müssen Frauen in Polen allerdings einen festen Arbeitsvertrag vorweisen. Neuseeland hingegen bieten nur 6,5 Wochen Mutterschutz und befindet sich damit in dieser Kategorie ganz hinten. In Deutschland stehen den Müttern 14 Wochen zu.
Die Hochschulbildungsrate in Polen unter Frauen fällt mit 8,5 Prozent ebenso sehr gut. Außer den drei Ländern, die an der Spitze liegen, ist diese nur in Israel (8,9%), Dänemark (9,4%) und Kanada (11,3%) höher. Der OECD-Schnitt beträgt 4,2 Prozent. Obwohl 38,4 Prozent der polnischen Frauen in Führungspositionen sind, sind sie nicht gleichermaßen in Aufsichtsräten vertreten. In Deutschland sind Frauen mit einem Anteil von 30,6 Prozent in Führungspositionen vertreten, wobei der OECD-Durschnitt bei 30,3 Prozent liege.
Experten überrascht
Das überdurchschnittlich gute Ergebnis ist für viele Experten nicht nur überraschend, es entspricht auch nicht der Wirklichkeit. Es sei überraschend, dass Polen so hoch positioniert ist. Vielmehr sei es ein Traum für künftige Zeit, sagte Ewa Ruminska-Zimny, Präsidentin des Internationalen Frauenforums an der Wirtschaftsuniversität in Warschau. Aus ihrer Sicht dürften so unterschiedliche Faktoren nicht in einen Topf geworfen werden, sonst ergebe sich ein unrealistisches Bild, so die Expertin.
Von Experten wird vielmehr angeprangert, dass Frauen in Polen in der Arbeit und im Privatleben diskriminiert werden. Ihre Löhne sind niedriger im Vergleich zu den Arbeitnehmern, obwohl in der Regel die Arbeitsleistung mindestens gleich hoch ist. Darüber hinaus besteht die gesellschaftliche Erwartung, dass Frauen, obwohl in Vollzeit berufstätig, auch für die Familie kochen und alle weiteren Tätigkeiten im Haushalt erledigen, neben der Erziehung der Kinder.
Bild: Polnische Flagge // (cc) Lukas Plewnia – polen-heute.de [CC BY 2.0] / Flickr