Die Konvention wurde erst im Mai 2011 von einigen wenigen Staaten – darunter auch Deutschland – in Istanbul (Türkei) unterzeichnet. Aktuell haben 22 von 47 Mitgliedsstaaten des Europarates unterzeichnet und erst das türkische Parlament hat die Konvention ratifiziert. Polen ist somit bei weitem nicht das einzige Land, das sich bei Unterzeichnung und Ratifizierung Zeit nimmt. Aber was sind die Vorbehalte, was die Reibungspunkte, die kontrovers diskutiert werden?
Zuerst einmal: Der Ministerrat entschied am Dienstag dieser Woche, dass die Konvention unterzeichnet werden soll. Als nächstes muss ein relativ aufwändiger Antrag durch das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik (MPiPS) vorbereitet werden, darauf folgend durch einen Beschluss des Ministerrates die Konvention unterzeichnet wird. Abschließend erfolgt die Ratifizierung durch das polnische Parlament und dann die Implementation in polnisches Recht. Der Weg ist also noch lang und kann einige Jahre dauern.
Derweil gibt es seitens verschiedener Ministerien Befürchtungen, dass die Konvention diametral entgegen polnischem Recht steht und die Gegensätze lediglich ausgeräumt werden können, wenn man die Grundsätze des Rechtssystems antasten würde. Unter anderem soll das Problem in der besonderen Stellung der Frau liegen, die die Konvention fordert, im polnischen Recht Opfer aber grundsätzlich nicht in Bezug auf das Geschlecht anders behandelt werden.
Einer der größten Kritiker der Konvention ist Justizminister Jaroslaw Gowin (Bürgerplattform, PO). Er befürchtet, dass die „feministische Ideologie“ dazu genutzt wird, um die traditionelle Familie zu bekämpfen und homosexuelle Beziehungen zu fördern. Der völkerrechtliche Vertrag sei auch „sehr schlampig“ geschrieben und bringe nicht viel Neues in das Rechtssystem ein. Der Minister lehnt diesen jedoch nicht grundsätzlich ab, denn auch er „sorge sich um das Wohl der Frau“.
Es scheint, als habe sich jedoch die Gleichstellungsbeauftragte der Regierung Agnieszka Kozłowska-Rajewicz (PO) mit ihrer Meinung durchgesetzt, wonach der Mehrwert der Konvention offensichtlich sei. Denn einen besonderen Schutz erhält die Frau gegenüber Gewalt in der Familie im polnischen Recht nicht. Auch seien viele Befürchtungen dadurch verursacht, dass es noch keine einheitliche Übersetzung der Konvention gibt, denn das Verständnis dieser soll laut der Gleichstellungsbeauftragten durch die Interpretation bestimmter Fachwörter beeinflusst sein.
Nach Meinung vieler Experten ist die Ratifizierung und Umsetzung des völkerrechtlichen Vertrages unumgänglich, denn besonders in Polen soll häusliche Gewalt gegenüber Frauen besonders weit verbreitet sein. Dem halten aber eher konservative Frauenorganisationen und die Katholische Bischofskonferenz entgegen, dass die traditionelle Familie nicht geschädigt werde darf.
Welche Seite sich in dem gesellschaftlichen Konflikt, der die tiefe Spaltung in der polnischen Gesellschaft andeutet, gewinnen wird, bleibt ungewiss. Eines steht jedoch schon jetzt fest: Häusliche Gewalt insbesondere gegenüber Frauen steht nun im besonderen Fokus der polnischen Öffentlichkeit.