Immer weniger Polen wollen auswandern

Ende 2016 arbeiteten Schätzungen der polnischen Behörden zufolge über 2,5 Millionen Polen im Ausland, dies entsprach ca. 15,3 Prozent der arbeitenden Bevölkerung. Doch fällt der Anteil der ausreisewilligen Polen kontinuierlich und erreichte Anfang 2018 einen historischen Tiefststand von 11,8 Prozent. Das mit Abstand beliebteste Zielland für eine Ausreise ist Deutschland. Als wichtigster Grund wird die höhere Verdienstmöglichkeit im Ausland von den Ausreisewilligen genannt. Gleichzeitig wird Polen jedoch immer attraktiver für inländische, sowie für Arbeitskräfte aus den ehemaligen Sowjetrepubliken. Dieser Trend scheint die anhaltende positive Transformation der polnischen Wirtschaft zu bestätigen.

Kulturpalst in Warschau bei NachtWie aus dem aktuellen Bericht des HR-Dienstleisters „Work Service SA Capital Group“ hervorgeht, ist der Anteil der ausreisewilligen Polen Anfang 2018 auf einen historischen Tiefststand von 11,8 Prozent gefallen. Damit hat sich zwischen 2015 und 2018 deren Anteil beinah halbiert. Für 87 Prozent der Befragten kommt eine Ausreise in den kommenden 12 Monaten nicht in Frage. Dies ist ebenfalls ein Rekordwert (vgl. Diagramm).

 

35 Prozent der ausreisewilligen Polen sind zwischen 18-24 und 30 Prozent zwischen 35-44 Jahre alt. 48 Prozent verfügen über ein Abitur und 15 Prozent über einen Hochschulabschluss. Nur 8 Prozent der Ausreisewilligen geben das Fehlen einer entsprechenden Arbeit als Ausreisegrund an. In Vollzeit arbeiten 28 Prozent der Ausreisewilligen, während 41 Prozent in Teilzeit, auf Bestellung oder selbstständig sind. Nur 13 Prozent der Ausreisewilligen sind arbeitslos. 23 Prozent der Ausreisewilligen möchten dauerhaft ausreisen, während 36 Prozent für maximal ein Jahr Polen verlassen möchten. 34 Prozent der Ausreisewilligen verfügen über ein Einkommen von unter 2000 ZL und 29 Prozent über ein Einkommen von über 3000 ZL. Das Einkommen spielt eine entscheidende Rolle bei dem Ausreisewunsch.

Die Aussicht auf ein höheres Einkommen ist der Hauptgrund für die Ausreisebereitschaft

Für 82 Prozent der Ausreisewilligen ist die Aussicht auf ein höheres Einkommen der Hauptgrund um das Land zu verlassen. Auf dem zweiten und dritten Platz folgen mit 32 Prozent die Aussicht auf einen höheren Lebensstandard und bessere soziale Bedingungen (29 Prozent). Das Fehlen einer geeigneten Arbeit wird nur von 8 Prozent der Befragten als Ausreisegrund genannt. Mit 31 Prozent ist Deutschland das beliebteste Ausreiseland, gefolgt von Holland (15 Prozent) und Großbritannien (6 Prozent).

Die sinkende Bereitschaft der Polen auszuwandern hat vor allem mit der positiven wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre zu tun. Die Einkommen stiegen in den beiden letzten Jahren überdurchschnittlich hoch und die Arbeitslosigkeit befindet sich mit 4,1 Prozent auf einem Rekordtief.

Polens ökonomische Lage verbessert sich stätig und die Kaufkraft steigt

Seit 2011 ist das durchschnittliche Einkommen in Polen jährlich um über 3 Prozent gestiegen. 2018 wird es voraussichtlich um 7 Prozent gegenüber 2017 steigen, wobei das durchschnittliche Einkommen bereits 2017 mit 5,6 Prozent ein Rekordhoch erreichte. Damit steigen die Einkommen seit 2013 deutlich stärker als die Inflation (vgl. Diagramm), was sich wiederum positiv auf die Kaufkraft auswirkt.

Insbesondere der hohe Beschäftigungsstand scheint die Ausreisebereitschaft der Polen deutlich zu bremsen und die polnische Regierung sieht sich genötigt Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben.

Die Arbeitslosigkeit befindet sich auf einem Rekordtief und Fachkräfte werden gebraucht

Die positiven ökonomischen Entwicklungen spiegeln sich vor allem in der niedrigen Arbeitslosenquote wieder. Seit 2013 hat sich die Arbeitslosenquote mehr als halbiert und sie wird 2018 voraussichtlich den Rekordtiefststand von 4,1 Prozentpunkten erreichen. Dadurch steigt wiederum der Bedarf nach Facharbeitern in Polen. Polen ist dabei vor allem für Arbeitsmigranten aus den ehemaligen Sowjetrepubliken attraktiv.

Die Zahl der beantragten Arbeitserlaubnisse für Polen hat sich zwischen 2013 und 2017 auf über 1,8 Millionen fast versechsfacht (vgl. Diagramm). Die erteilten Arbeitserlaubnisse befanden sich 2017 mit über 235 Tausend ebenfalls auf einem Allzeithoch. Im ersten Halbjahr 2018 wurden bereits über 756 Tausend Arbeitserlaubnisse beantragt und über 148 Tausend Erlaubnisse erteilt. Damit dürfte das Jahr 2018 wieder ein Rekordjahr werden.

Insbesondere für Arbeitssuchende aus den ehemaligen Sowjetrepubliken scheint Polen ein attraktiver Standort zu sein. Vor allem für Arbeitsmigranten aus der Ukraine hat Polen seinen Arbeitsmarkt geöffnet.

Die Arbeitsemigranten kommen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken

2017 wurden zwar über 1,8 Millionen Arbeitsanträge für Polen gestellt, doch wurden nur etwas mehr als 235 Tausend bewilligt. Die Arbeitsemigranten kommen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, jedoch vorwiegend aus der Ukraine. 2017 wurden von den 235 Tausend Arbeitsbewilligungen über 171 Tausend an Ukrainer ausgestellt.

Die positive ökonomische Entwicklung ermöglicht der polnischen Regierung die Sozialausgaben deutlich zu erhöhen und damit indirekt auch den sozialen Druck auszuwandern abzusenken.

Die Politik versucht die Bevölkerung im Land zu halten und Ausgewanderte zu einer Rückkehr zu bewegen

Dank steigender Staatseinnahmen hat die polnische Regierung Spielräume, um der Bevölkerung finanzielle Erleichterungen zu verschaffen. Zwischen 2014 und 2018 wird das das BIP von 1719 Mrd. ZL auf geschätzte 2058 Mrd. ZL steigen. Im gleichen Zeitraum werden die Staatseinnahmen von 283,5 Mrd. ZL auf geschätzte 355,7 Mrd. ZL und die Ausgaben von 312, 5 Mrd. ZL auf geschätzte 397,2 Mrd. ZL steigen.

Ein wichtiges Wahlversprechen der PiS-Regierung war die Einführung des Kindergeldes „Familie 500 plus“. Infolgedessen bekommen seit 2016 Familie ab dem 2ten Kind monatlich 500 ZL extra. 2016 gab die polnische Regierung dafür über 17 Mrd. ZL aus. Eine weitere Maßnahme ist der Bau günstiger Wohnungen für junge Familien im Rahmen des Programms „Wohnung plus“. Damit möchte die polnische Regierung vor allem junge Familien unterstützen und sie damit indirekt von einer möglichen Abwanderung abzuhalten. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki geht noch weiter und spricht sich für eine Rückkehr der in Ausland lebenden Polen aus.

Der ökonomische Druck auszuwandern sinkt rapide

Seit April 2018 befindet sich der polnische Arbeitsmarkt mit 16,6 Millionen Beschäftigten auf einem Rekordhoch. Dies spiegelt sich auch in der Ausreisebereitschaft der Polen wieder. Wie aus der Analyse der „Work Service SA Capital Group“ hervorgeht geben 40 Prozent der ausreiseunwilligen Polen als Grund gegen eine Ausreise die Arbeitsattraktivität Polens an. Das ist nach der Familie und Freunden (64 Prozent) der zweitwichtigste Grund für den Verbleib. Auf den dritten und vierten Platz, mit jeweils 14 Prozent folgen das Fehlen einer Fremdsprache und die geringe Aussicht auf eine attraktive Arbeit.

Damit zeigt sich, dass die polnische Wirtschaft trotz der politischen Konflikte im Inland, sowie mit der EU, sich noch immer robust entwickelt. Dies dürfte auch weiterhin für hohe Zustimmungsraten für die polnische Regierung sorgen.