Im Rückblick auf das Jahr 2015 schrieben wir über die enormen Veränderungen der politischen Szene, die zuvor über viele Jahre konsolidiert schien. Nun ist ein ganzes Jahr der regierenden Recht und Gerechtigkeit vergangen und die Welt steht in Polen Kopf. Von einem Vorbild der Demokratisierung schaffte es das Land innerhalb von einem Jahr fast auf Bananenrepublik-Niveau. Was war passiert?
Medien in der Hand der Partei
Gleich zu Beginn des Jahres unterschrieb Präsident Andrzej Duda ein umstrittenes Mediengesetz der regierenden Recht und Gerechtigkeit (PiS), wonach die Partei die Vorstände und Aufsichtsräte der öffentlichen Fernsehsender und des Radios neu besetzen konnte.
Und damit wurde das öffentlichen Fernsehen (TVP) gekapert, so wie nie zuvor. Denn es gab in der Tat schon immer Einfluss, aber dieser hielt sich soweit in Grenzen. Die vorherigen Regierungen hatten entweder keine stabile Mehrheit für ein solches Unterfangen oder sie wollten nicht derart plump Parteipropaganda betreiben.
Programm „Familie 500 plus”
Ende Januar dann wurde das Programm „Familie 500 plus” vom Kabinett angenommen und später durch das Parlament beschlossen. Dieses sollte zum Flaggschiff der Regierung werden. Dadurch bekamen viele arme, kinderreiche Familien eine Unterstützung, die als basale Lebensgrundlage gelten könnte. Kommentatoren und Medienbeobachter nehmen an, dass die große Zustimmung in der Bevölkerung für die regierende Recht und Gerechtigkeit durch gerade diese Initiative erkauft wurde.
Auch in der Opposition fand das Programm Zuspruch, doch sind die hohen Kosten kritisiert worden. Andere Oppositionelle hingegen monierten, dass das Programm nicht so ausgebaut sein würde, wie im Wahlkampf versprochen. Denn auf Wahlkampfveranstaltungen wiederholten führende PiS-Politiker die Forderung, ein solches Programm solle für alle Kinder gelten. Eingeführt wurden jedoch die 500 PLN (ca. 120 EURO) ab dem zweiten Kind und für besonders bedürftige Familien ab dem ersten Kind.
Kritik kam auch aufgrund der Verwertung der Mittel auf. Einige Politiker und Kommentatoren glauben nicht an den Einsatz der Mittel für die Kinder. Die Eltern würden eher die Mittel für ihre eigenen Bedürfnisse nach Suchtmitteln befriedigen.
Smolensk neu aufgerollt
Im Februar wurde bekannt, dass PiS-Verteidigungsminister Antoni Macierewicz die Flugzeugkatastrophe von Smolensk wieder aufrollen möchte. Gegründet wurde dazu eine Expertenkommission, die im Laufe des Jahres jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagte.
Kritik wurde laut, da die Öffentlichkeit bisher nicht über die Fortschritte informiert wurde. Umso schwerer wog dies, da PiS noch als Oppositionspartei die Informationspolitik der damaligen Regierung bezüglich der Katastrophe kritisiert hatte.
Bisher hat die Regierung auch ihr Versprechen nicht eingelöst und das Flugzeugwrack aus Russland nach Polen gebracht. Als Oppositionspartei haben führende Politiker dieser Partei noch gesagt, sie würden alles tun, um die Überreste der Tupolew nach Hause zu holen.
Totales Abtreibungsverbot
Im März wurden Arbeiten an einem totalen Abtreibungsverbot durchgeführt. Insbesondere die klerikalen Hardliner sowie einige PiS-Politiker befürworteten diese Gesetzesnovelle. Doch kam es zu starken Protesten auf den Straßen. Deswegen kam es bisher noch zu keiner Änderung des Abtreibungsgesetzes.
Verfassungsgericht unter Beschuss
Auch im März wurde wieder deutlich, dass die Regierung von Recht und Gerechtigkeit mit den Verfassungsgericht auf Kriegsfuß steht. Durch Gesetzesinitiativen des Parlamentes wurde die dritte Säule der Gewaltenteilung erfolgreich behindert. Das Einschalten der Venedig-Kommission hatte das Problem nicht lösen können.
Weitere Themen
Die zuvor erwähnten Themen zogen sich durch das gesamte Jahr hindurch. Weitere wichtige Themen waren: