Tortenwurf im Gerichtssaal

Beim Thema Aufarbeitung der Geschichte geht es in Polen oft hoch her. Besonders betroffen ist natürlich das Thema Kommunismus und hier speziell das Kriegsrecht, das 1981 ausgerufen wurde. Entscheidungsträger aus der Zeit stehen immer wieder vor Gericht, können aber meist aufgrund ihres hohen Alters kaum noch verhört werden. Das trifft auch auf Czeslaw Kiszczak zu, den ehemaligen Innenminister der Volksrepublik. Ihm wird vorgeworfen, per Befehl die blutige Niederschlagung des Aufstands der Bergarbeiter in der Zeche „Wujek“ im Dezember 1981 veranlasst zu haben – neun Kumpel starben.

1996 war er zunächst freigesprochen, 2004 dagegen zu vier Jahren Haft verurteilt worden (durch die Amnestie 1989 auf zwei Jahre verkürzt). Während der dritten Neuauflage des Prozesses erkrankte Kiszczak, die Verhandlung wurde 2008 mit dem Befund der „fahrlässigen Schuld“ Kiszczaks am Tod der Bergarbeiter eingefroren. 2010 endete der vierte Prozess sogar erneut mit einem Freispruch für Kiszczak. 2012 ist er jedoch wegen der Einführung des Kriegsrechts abermals zu vier Jahren Haft (wegen Amnestie auf zwei verkürzt) verurteilt worden – aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes des Generals wurde die Strafe in eine fünfjährige Bewährungsstrafe umgewandelt.

Ehemalige Opposition aufgebracht

Dieses Hin-und-her scheint die ehemalige Opposition immer mehr aufzubringen. Sie fordert eine angemessene Strafe und kritisiert immer wieder die aus ihrer Sicht nachsichtige Behandlung der ehemaligen Machthaber. Gestern nun ist wieder einem ehemaligen Oppositionellen der Kragen geplatzt: In Warschau unterbrach eine Gruppe die Gerichtsverhandlung, in der zwei Psychiater im Fall Kiszczak angehört werden sollten. Sie echauffierte sich über die angebliche Ineffizienz des Gerichts und skandierte: „Nach Belarus!“ Ein nach Angaben der Gruppe ehemaliger politischer Gefangener zur Zeit des Kriegsrechts schleuderte im Anschluss eine Torte auf die den Saal verlassende Richterin. Gegen den Mann soll jetzt wegen Angriffs auf eine öffentliche Person ermittelt werden – bisher hat er sich dem Polizeizugriff entzogen.

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