In Polen ist das ökologische Gewissen nicht vorhanden. Das Land richtet sich lediglich nach dem ökonomischen Fortschritt. Doch das hat Gründe und einige von diesen sind rationaler Natur, andere haben mit der Geschichte und dem Nationalstolz zu tun.
Osteuropa ist nicht gerade als Hort für ökologische Innovationen bekannt. Nirgends, nicht in Russland, nicht in Tschechien findet man besonderen Eifer für nachhaltige, umweltfreundliche Innovationen. Vielleicht sind hier und da einige Flüsse sauberer oder der Boden etwas weniger stark mit Düngemittel belastet. Aber im Grunde besteht kein Bewusstsein für eine Lebensweise, die im Einklang mit der Natur steht.
Dabei ist Polen keine Ausnahm. Einen Tela? Sucht man vergebens. Windräder oder Solarzellen? Nur aufgrund von ökonomischen Erwägungen oder zur Erreichung von Energieunabhängigkeit errichtet. Ökologisch angebautes Essen? Findet man nur selten in den Regalen der großen Einkaufshäuser.
Damit sind vor Jahrzehnten die Leitplanken der polnischen Politik gelegt worden. Kohle ist bis heute eine Schlüsselindustrie, zumindest in den Köpfen der schlesischen Bürger. Getrübt wird diese lediglich durch günstigere Kohle aus Russland. Vor einigen Jahren gab es Pläne für den Bau eines Kernkraftwerks, die jedoch versandete. Wahrscheinliche Gründe waren die Finanzierung und Komplexität eines solchen Unterfangens und nicht die Umweltbelastung durch die Strahlung.
Damit verwundert kaum, dass in Polen die Grünen eine Randerscheinung darstellen, wie in Deutschland die Tierschutzpartei. Aber das hat Gründe, die zum Teil in der polnischen Mentalität und zum Teil in rationalen Erwägungen liegen. Ich möchte einigen nachfolgend aufzeigen:
- Die Polen sind der Meinung, dass der Reichtum der westlichen Industrienationen auf Basis der Kohle- und Stahlindustrie entstanden ist. Somit habe man selbst auch das Recht auf eine ökonomische Blüte, bevor die ökologisch Transformation kommt.
- Klimawandel wird in der polnischen Gesellschaft überwiegend als wissenschaftlich nicht untermauerte Theorie betrachtet. Es ist eine Meinung von vielen und damit nicht handlungsleitend.
- Große Teile der polnischen Gesellschaft sind noch immer verarmt oder am Existenzminimum. Damit geraten ökologische Problem in den Hintergrund. Nachhaltige Lebensmittel sind nicht nur unerschwinglich, sie werden vielmehr als Dekadenz und Hipster-Luxus aus Warschau geframet. Damit sind auch Autos im Schnitt viel älter und umweltschädlicher.
- Die Kohleindustrie gehört zum Nationalstolz, der Bergmann ist seit jeher eine Symbol der nationalen Arbeits- und Schlagkraft. Dieses Denken entspringt der Zeiten der Volksrepublik Polen, in der der Bergmann gehyped und mit besonderen Privilegien ausgestattet wurde. Das Herz Polens lag vor 40 Jahren in Schlesien, dem polnischen Ruhrgebiet.
- Die Jugend möchte der konservativen Enge des Landes entfliehen. Das macht sie mit ökonomischer Zielstrebigkeit. Zwischen Party, Studium und Arbeit ist kein Platz für ökologisches Denken.
- Die Medien behandeln das Thema nur sporadisch. Dabei trennen sie auch nicht zwischen Wetter und Klima und bieten damit Klimaleugnern Angriffsfläche.
Sind das alle Gründe? Bestimmt nicht, aber die sechs Punkte geben eine Idee davon, wie die Polen über ökologische Themen denken.