Oberster Gerichtshof nicht mehr unabhängig?

Mit dem Ende der Neutralität des Obersten Gerichtshofs könnte in kürzester Zeit die Gewaltenteilung in Polen aufgehoben werden und der Parteichef  der Regierungspartei die alleinige Macht in Händen halten. Polen wäre dann wieder in der Zeit vor 1989 angelangt. Daher schreibe ich die nachfolgenden Worte mit fehlender Distanz. Es steht zu viel auf dem Spiel.

Flagen beim Präsidentenpalast in Warschau

Es scheint, als wenn Polen kurz vor dem Ausbruch von Unruhen steht. In Warschau finden gefühlt stündlich neue Demonstrationen gegen die Regierung statt, die EU-Kommission zeigt sich besorg und im polnischen Parlament kommt es zu heftigen Wortwechseln. Was ist nur los beim Nachbarn Deutschlands?

Die Konfliktlinie ist schon seit Monaten, im Prinzip seit 2005, klar. Damals hatte die aktuell regierenden Recht und Gerechtigkeit (PiS), samt Parteivorsitzendem Jaroslaw Kaczynski, das erste mal die Regierung gestellt, die 2007 gestürzt wurde. Es geht um die Alleinherrschaft in Polen und damit um nichts geringeres als die Aufhebung der Dreiteilung der Staatsgewalt.

Ein Hinderungsgrund für den Putsch war bisher die Gerichtsbarkeit. Denn das Parlament – die Legislative – und die Regierung – die Exekutive – sind seit dem überwältigenden Wahlsieg 2015 in PiS-Hand. Präzise gesagt liegt die gesamte Macht in der Hand von Jaroslaw Kaczynski, der offiziell lediglich das Amt des PiS-Parteivorsitzenden inne hat.

In Wirklichkeit hält Kaczynski jedoch alle Fäden in der Hand. Die Regierung besteht aus Marionetten, darunter die formlos graue Premierministerin Beata Szydlo, und Präsident Andrzej Duda, der sich bisher als Vasall Kaczynskis zeigte.

Die Verfassung ist die Hürde zum Staatsputsch

Damit fehlt nur noch die Gerichtsbarkeit. Eine Unterwerfung dieser kann offizielle nicht ohne die Änderung der Verfassung durchgeführt werden. Jedoch fehlt Kaczynski die nötige zweidrittel Mehrheit, ideenreich nahm der Machtpolitiker den Umweg über den Verfassungsgerichtshof.

Mit dem Auslaufen der Kadenz des Verfassungsgerichtspräsident Andrzej Rzepliński konnte PiS ihren eigenen Richter zum Vorsitzenden klären. Ende 2016 wurde das dann Julia Przyłębska, eine umstrittene Anwältin, und PiS-Handlangerin. Diese hat sogleich die Arbeiten des Gerichtes in die für die Regierung vorteilhaft Richtung gelenkt. Als Korrektiv für Verfassungswidrige Beschlüsse der Legislative fällt dieses somit aus.

Oberster Gerichtshof: Wie möchte Kaczynski die alleinige Macht in Polen erlangen?

Nun soll das gesamt Gerichtswesen „dem Volk“ also „dem Parlament“ also Jaroslaw Kaczynski und seinen Vasallen untergeordnet werden. Die Gesetzesinitiative möchte erreichen, dass der Oberste Gerichtshof durch eine Mehrheit im Parlament gewählt wird. Darüber hinaus würde die Möglichkeit bestehen, alle bisherigen Richter dieses Gerichts zu entlassen und ein personell völlig neues Gericht zu installieren. Bisher werden Mitglieder des Obersten Gerichts durch den Präsident auf Antrag des Staatlichen Gerichtsrates ernannt, der von der Regierung unabhängig ist und eine technokratische richterliche Instanz darstellt. Er hat die gesamte Aufsicht über die Judikative und garantiert damit die Gewaltenteilung und Neutralität der Gerichtsbarkeit.

Sollte diese letzte Bastion der Gewaltenteilung fallen, kann Kaczynski im Grunde schreiten und walten wie er möchte. Die Verfassung und andere Gesetze währen ausgehebelt. Viel würde das Land im Herzen Europas dann nicht mehr von einer Bananenrepublik unterscheiden.

Bild: Flaggen vor dem Präsidentenpalast in Warschau// (cc) Lukas Plewnia [CC BY-SA 2.0] / Flickr, polen-heute.de