Misstrauensvotum im Sejm abgelehnt

Der Misstrauensantrag der oppositionellen PO (Bürgerplatform) ist gescheitert. 174 Abgeordnete waren dafür und 238 dagegen. Die Redner nahmen während der Debatte kein Blatt vor den Mund. In der Öffentlichkeit blieb die Abstimmung nahezu unbemerkt.

Die polnische Verfassung sieht die Möglichkeit vor u.a. die Regierung durch mehrheitlichen Parlamentsbeschluß abzusetzen. Dazu wären nach heutiger Sitzverteilung mindestens 231 Stimmen nötig gewesen. Bei der Abstimmung haben die Parteien PO (Bürgerplattform), Nowoczesna, PSL (Bauernpartei) und die Union Europäischer Demokraten (parlamentarischer Kreis) dem Antrag zugestimmt. Dagegen waren alle Abgeordneten der regierenden Recht und Gerechtigkeit, sowie die Freien und Solidarischen (parlamentarischer Kreis) und zwei parteilose Abgeordnete. Die systemkritische Kukiz´15 hat an der Abstimmung nicht teilgenommen. Enthalten haben sich die Republikaner (parlamentarischer Kreis) und 1 parteiloser Abgeordneter, insgesamt 4 Abgeordnete.

Eine Debatte der gegenseitigen Vorwürfe

Der Antrag gilt als Reaktion auf die vielkritisierten Handlungen der Premierministerin Beata Szydlo während der Wahl des Vorsitzenden des Europäischen Rates im März 2017. Die polnische Regierung hat als einziges Mitglied der EU der Wiederwahl von Donald Tusk nicht zugestimmt.

Die Debatte verlief ohne Zwischenfälle, was in letzter Zeit nicht mehr so offensichtlich ist. Bei der Wortwahl der Redner gab es jedoch kein Zurückhalten. Die Gedanken wurden ohne umherschweifen ausgesprochen und sollten den politischen Gegner hart treffen. Aus den Vorwürfen vom Freitagvormittag ließe sich sicherlich eine ganze Tageszeitung füllen. In der Politik ein Anzeichen für tiefsitzende Ressentiments, die keine Hoffnung mehr geben auf eine auch nur symbolische Zusammenarbeit. Eine solche parteifeindliche politische Politiklandschaft hat man in Polen zuletzt im 18. Jarhundert gesehen. Damals endete der interne Zwist mit den 3 Polnischen Teilungen.

Schetyna:“die schädlichste Regierung seit 1989″

Der Vorsitzende der Bürgerplattform betonte vor allem, dass die aktuelle Regierung die mit Abstand unverantwortlichste, arroganteste und schädlichste Regierung seit 1989 sei. Unter nur formeller Führung von Beata Szydlo und tatsächlicher Leitung aus der zweiten Reihe durch Jaroslaw Kaczynski habe man, so Grzegorz Schetyna, das Rechtssystem und die Rechtssprechung demoliert, die Verhältnisse zur EUund den USA verschlechtert, den Außenminister zu einer persona non grata herabgestuft und die Kampfstärke der polnische Armee auf ein minimum herabgesenkt. Auch hat der Präsident Andrzej Duda heftige Kritik entgegennehmen müssen – Grzegorz Schetyna bezeichnete seine Amtszeit als parteiisch-rekreativ. Als er die Regierungszeit unter PiS mit derjenigen von Wladimir Putin in Russland verglich, rührte sich die rechte Seite des Sejm heftig.

Szydlo:“Ihr habt den Bürgern nie zugehört“

Die Premierminiserin Beata Szydko erwiderte, dass der Antrag im copy-paste-Schreibstil verfasst wurde, obwohl sie anfangs noch dachte, dass sie eine ernstzunehmende Schrift erhalten würde. Sie ist überzeugt, dass es der Bürgerplattform nur um die eigenen Interessen geht und nicht um Polen und ihre Bürger. Als Beispiel für eine gute Führung erwähnte sie das Kinderprogramm 500+, das Voranschreiten des Baus eines Zentral-Flughafens zwischen Warschau und Lodz, eine ausgewogene Energiepolitik und das bevorstehende Wohnungsförderprogramm Wohung+. Der Opposition warf sie vor den Bürgern nie wirklich zugehört zu haben und nannte sie Lügner – damals wie heute.

Der Vorsitzende der Partei Recht und Gerechtigkeit Jaroslaw Kaczynskie sagte, dass zu Zeiten der Vorgängerregierung „sämtliche gesellschaftlichen Kontrollmechanismen“ verloren gingen, was dazu führte, dass die Gelder in die falschen Taschen floßen. Diese Sitution wolle die Partei PiS nicht mehr zulassen und werde weiterhin am eingeschlagenen Kurs festhalten. Dieser Weg, so J. Kaczynski, führt nach Europa, zur Modernisation. Auf den Vergleich mit Russland ist er nicht eingegangen.

Kukiz:“Ein Kampf und den Thron“

Lediglich die Anti-Establishement-Partei Kukiz´15 äußerte sich gegen beide bekämpfenden Parteien und bezeichnete diesen Antrag und diese Debatte als „Kampf um den Thron“. Der Vorsitzende Pawel Kukiz machte klar, dass es im Sejm keine guten und bösen Mächte gäbe. Es sei also nicht so, dass Kaczynski der Böse und Schetyna der Gute sei. Schuld an der ganzen Misere sei das System als solches. Die Struktur des polnischen Staatsaufbaus liefert den Bürgern ein Recht, welches, wie er sagt, „auf den Hintern schlägt“.

Doch der Bürger war an diesem Freitagvormittag anderweitig beschäftigt und so blieb die Debatte lediglich für diejenigen interessant, die im Fernsehen sonst nichts anderes zu gucken hatten, wenn in Polen überhaupt noch jemand Lust hat sich diesem Theater zu widmen.

Bild: Rede von Beata Szydlo im Sejm // (cc) P.Tracz/KPRM [Public Domain Mark 1.0] / Flickr




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