Abhörskandal: keine personellen Konsequenzen

Während Premierminister Tusk weiter vehement personelle Konsequenzen ausschließt, bekommt seine Regierung von allen Seiten immer stärkeren Gegenwind. Oppositionsführer Kaczynski arbeitet an einem konstruktiven Misstrauensvotum und Vize-Premierminister Piechocinski spricht offen von personellen Konsequenzen nach den Sommerferien und stellt sich somit gegen Tusk.

„Ich werde keine personellen Konsequenzen gegenüber Politikern ziehen, deren einzige Sünde es ist, dass sie sich in vertraulichen Gesprächen anstößig ausdrücken“, sagte Premierminister Donald Tusk (Bürgerplattform, PO) heute auf einer Pressekonferenz. Zudem wiederholte der angeschlagene Premier abermals, dass die illegalen Aufnahmen nicht dem öffentlichen Interesse dienen würden, es sich hier im Gegenteil um einen Umsturzversuch gegen die Regierung handele. Sie würden die Regierung destabilisieren und ihre Arbeit stark behindern. Er werde sich diesem Plan nicht fügen und in dieser Schlüsselsituation, dem Umbruch in Europa und der Lage in der Ukraine, beständig bleiben. Zunächst müssten die Drahtzieher der geplanten und über einen langen Zeitraum durchgeführten Abhöraktionen identifiziert und gefasst werden.

Kurz darauf verkündete Präsident Bronislaw Komorowski auf einer Pressekonferenz, er sei von den veröffentlichten Gesprächen berührt und analysiere diese hautsächlich in rechtlicher Hinsicht. Ferner sehe er den Staat durch eine mögliche Destabilisierung bedroht. Daher wolle er stabilisierend und nicht destabilisierend wirken. Komorowski machte klar, er werde die Regierung nicht abberufen und lediglich beim Installieren einer neuen Regierung mitwirken, sofern es das Parlament verlange.

Angriffe auf die Regierung

Wer meint, die Regierung wäre in den letzten Tagen schon von allen Seiten hart angegriffen worden, der sieht heute eine Gerölllawine an Anschuldigungen auf Tusk und seine Mannschaft zurollen. Kritische Artikel der internationalen Presse, wie die letze Veröffentlichung der Financial Times gestern, sind noch das kleinste Übel. Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski und seine rechtsklerikalen Recht und Gerechtigkeit (PiS) führen mit anderen Oppositionsparteien Hintergrundgespräche mit dem Ziel, die Regierung durch ein konstruktives Misstrauensvotum zu stürzen. Demnach solle eine technische, überparteiliche Regierung vorgezogene Neuwahlen einleiten, jedoch zuvor Änderungen in der Wahlordination initiieren, erläuterte Kaczynski heute auf einer Pressekonferenz.

Den härtesten Schlag erhielt Tusk jedoch vom kleinen Koalitionspartner, der konservativen Bauernpartei (PSL). Deren Vorsitzender und Vize-Premierminister Janusz Piechocinski schloss heute den Umbau der Regierung nicht aus, den Tusk vorher vehement ablehnte. Nach einem Gespräch mit Präsident Komorowski teilte Piechocinski mit: “Sollte sich herausstellen, dass kurz nach den Ferien keine sicheren und glaubwürdigen Erklärungen möglich sind, muss ein politisches Szenario vorbereitet werden, dass es den Polen erlaubt, ein elementares Vertrauen nicht nur zu Parteien, sondern zur gesamten politischen Klasse wiederzuerlangen.“