Als gestern in der Hautabendzeit die Debatte der Spitzenkandidaten im polnischen Fernsehen übertragen wurde, ereignete sich etwas ganz Untypisches für die polnische Politikszene. Adrian Zandberg, der junge Vorsitzende der Partei Polen Zusammen, wurde von den Medien als Politstar entdeckt. Wird er eine neue linke Bewegung in Polen initiieren können?
Überwiegend besteht in der polnischen Bevölkerung der Glaube, die Politiker des Landes seien entweder korrupte Diebe oder unfähige Idioten. Aufgrund dessen und mangels langer demokratischer Tradition wenden sich viele Bürger von der Politik ab und suchen ihr Glück im Privaten. Dieser Glaube ist nicht unbegründet, wovon viele Affären der letzten Jahre und Jahrzehnte zeugen.
Doch gestern war einer dieser Momente, in denen ein neuer Politiker entdeckt wurde. Ein Neuling, der von den Medien begeistert gefeiert wird und der so gar nichts von einem Politprofi hat, wie ihn die Bevölkerung kennt. Adrian Zandberg ist Führungsfigur der Partei Polen Zusammen (PR, Polska Razem), einer erst im Frühjahr gegründeten linken Partei. Der 37-Jährige hatte gestern, so die einstimmige Meinung, einen fulminanten Auftritt auf der Wahldebatte der Spitzenkandidaten, die von drei der größten polnischen Fernsehsender in der Hauptabendzeit übertragen wurde.
Die neue linke Kraft
In aller Normalität, ohne große Worte und Demagogie sprach er die offensichtlichen Wahrheiten aus. So werde zum Beispiel die Flüchtlingskrise dazu benutzt, um Stimmung gegen die Bevölkerung zu machen. Drängende Probleme wie die mangelnde Besteuerung von großen Unternehmen oder zukünftige niedrige Renten durch die Beschäftigung über zivilrechtliche Verträge – Müllverträge – würden jedoch nicht angepackt.
Der Historiker und Informatiker hat kein Auto, sondern fährt Metro, und überzeugt durch ruhige und überlegte Natürlichkeit. Seine Partei ist für einen starken Staat, die progressive Besteuerung, die Möglichkeit der Abtreibung für Frauen, für die In-vitro-Fertilisation und für gleichgeschlechtliche Ehen. Sie will mehr Gleichheit durch mehr Umverteilung schaffen – als Vorbild nimmt sie viele westeuropäische Staaten, die starke Wirtschaftsnationen sind und sich so nicht ins neoliberale Dogma einzwängen lassen.
Ist dieser Hype nur ein kurzer Sturm im Wasserglas oder wird Zandberg eine neue linke Bewegung initiieren könne? Wie immer ist die Zukunft ungewiss, doch ist hier seit Jahren ein erster Lichtblick am Horizont der Linken. Was daraus wird, bestimmen die polnischen Wähler am nächsten Sonntag.
Bild: Polnisches Parlament // (cc) Lukas Plewnia [CC BY-SA 2.0] / Flickr