11. November – 24. November 2013
Radikale Veränderungen – große Kabinettsumbildung ++ Unabhängigkeitstag: Zeit für Nationalismus ++ Korruptionsskandal: Staatsanwälte ermitteln.
Radikale Veränderungen – große Kabinettsumbildung
Seit Jahren hat Donald Tusk, polnischer Ministerpräsident und Vorsitzender der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO), immer wieder angekündigt, seine Minister nach ihrer Leistung zu beurteilen und eine Kabinettsumbildung vorzunehmen. Bislang hat er jedoch wenig oder gar nichts getan.
Im November holte Tusk zum Rundumschlag aus: Er entließ sieben Minister, darunter Finanzminister Jacek Rostowski – wahrscheinlich eines der einflussreichsten Kabinettsmitglieder. Eine weitere Überraschung war die Ablösung des Ministers für Verwaltung und Digitalisierung Michal Boni, der immer kompetent wirkte und bei öffentlichen Auftritten kaum Fehler machte.
Nun muss sich Polen an die neuen Namen gewöhnen, die neuen Minister sind fast ausnahmslos entweder wenig bekannt oder der Öffentlichkeit völlig unbekannt.
Einzig Joanna Kluzik-Rostowska sticht als große Überraschung hervor – sie wird neue Bildungsministerin. Vor etwas mehr als zwei Jahren war sie noch eine der führenden Persönlichkeiten des politischen Gegners, der rechtsreligiösen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Der 38-jährige Mateusz Szczurek, Chefökonom der ING Bank in Mittel- und Osteuropa, übernimmt das wichtige Amt des Finanzministers.
Die Opposition kritisiert die Entscheidungen von Premierminister Tusk. Sie behauptet, dass die Änderungen reines Marketing sind und nur ein Signal der Stärke an die Öffentlichkeit senden, ohne dass es zu wesentlichen Änderungen in der Politik kommt.
Unabhängigkeitstag: Zeit für Nationalismus
Der 11. November ist in Polen ein gesetzlicher Feiertag, der in der Bevölkerung starke nationalistische Gefühle auslöst. Überall wehen polnische Flaggen, und in der Hauptstadt Warschau halten nationalistische Gruppen Demonstrationen ab. An diesem Tag feiert Polen alljährlich seine 1918 erlangte Unabhängigkeit, die nach 123 Jahren der Teilung erreicht wurde. Die Unabhängigkeit dauerte mit der so genannten Zweiten Republik Polen bis 1945, als die Kommunisten an die Macht kamen.
In diesem Jahr gab es zwei große Demonstrationen in Warschau. An einer davon nahmen Präsident Bronislaw Komorowski, Premierminister Donald Tusk und andere wichtige politische Persönlichkeiten teil. Die Parade stand unter dem Motto „Gemeinsam für die Unabhängigen“. Verschiedene Abteilungen der Streitkräfte marschierten durch die Straßen, gefolgt von den wichtigsten Politikern des Landes. Die Kundgebung verlief friedlich, und sogar die Kinder hatten ihren Spaß daran.
Nicht ganz so friedlich war eine andere Demonstration – man könnte fast von extremen Gewalttaten sprechen, die im Zentrum von Warschau stattfand. Nationalisten zeigten ihre Loyalität gegenüber dem Heimatland. Unter der Parole „Unabhängigkeitsmarsch“ bekämpften Randalierer die Polizei, aber auch Hooligans verschiedener Fußballvereine und Faschisten bekämpften sich gegenseitig.
Darüber hinaus griffen die Demonstranten die russische Botschaft an. Die Sicherheitskräfte wurden mit Feuerwerkskörpern und Steinen beworfen und mussten hart durchgreifen, um die Gewalt einzudämmen. Möglicherweise waren einige Faschisten eigens für diese Veranstaltung aus dem Ausland angereist, da slowakische und ungarische Fahnen gezeigt wurden.
Am Ende wurde die Demonstration aufgelöst, sieben Polizisten wurden verletzt und über 60 Straßenkämpfer verhaftet. Ministerpräsident Tusk sagte, es sei eine unglückliche Tradition, dass die Feierlichkeiten jedes Jahr getrennt werden müssten.
Korruptionsskandal: Staatsanwälte ermitteln
Im September wurde einer der größten Korruptionsskandale der letzten Jahre aufgedeckt. Der ehemalige stellvertretende Innenminister Witold D. ist wahrscheinlich daran beteiligt. Darüber hinaus beschuldigt die Staatsanwaltschaft weitere 20 Personen – darunter hochrangige Beamte der Regierung und der öffentlichen Verwaltung, wie z.B. den stellvertretenden Leiter des Zentralen Statistikamtes und einen hohen Beamten des Außenministeriums.
Das Zentrale Antikorruptionsbüro (CBA) hat den Skandal nach mehrjährigen Ermittlungen aufgedeckt, bei denen es um öffentliche Ausschreibungen ging, die wahrscheinlich nicht gesetzeskonform durchgeführt wurden. Konkret besteht der Verdacht, dass Regierungsbeamte bestochen worden sein könnten, um Unternehmen Aufträge für Aufgaben im Zusammenhang mit der polnischen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2011 zu erteilen. Insgesamt hatten die Aufträge einen Wert von mehreren Millionen Euro. Die Affäre scheint noch nicht vollständig aufgedeckt worden zu sein.
Der Korruptionsskandal hat bei der Opposition große Kritik hervorgerufen. Der Oppositionsführer und Vorsitzende der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, sprach von einer „großen Korruption“, die „fast alle Ministerien betrifft“. Kaczynski sieht auch die Sicherheit des Staates gefährdet und fordert Premierminister Donald Tusk und den CBA-Chef auf, das Parlament so schnell wie möglich über den Korruptionsskandal zu informieren.
Andere Oppositionspolitiker fordern einen Parlamentsausschuss zur Aufklärung der Affäre, einige sogar den Rücktritt der Regierung.
Aber auch im Regierungslager gibt es Kritik. Auf die Frage, ob das Außenministerium „vom Krebsgeschwür der Korruption zerfressen“ sei, antwortete der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski: „Leider ja“. Premierminister Donald Tusk sagte, die Regierung werde die Korruption hart bekämpfen.