Dieses Thema ist so umstritten, dass es zu den größten Protesten seit der kommunistischen Zeit geführt hat. Durch ganz Polen und teilweise auch im Ausland zogen ganze Menschenmengen – vor allem Gegner der Verschärfung des Abtreibungsgesetzes, aber auch seine Befürworter. Nun hat der Sejm entschieden: Der Vorschlag eines kompletten Abtreibungsverbotes ist abgelehnt.
Der Gesetzesentwurf, laut dem Abtreibung in jedem Fall verboten werden soll und der strenge Strafen für den Verstoß gegen die Vorschriften vorgesehen hat, hat die polnische Gesellschaft wie kaum ein anderes Thema geteilt. Nach der ersten Lesung wurde das Projekt an einen Sejm-Ausschuss zu weiterer Bearbeitung weitergeleitet. In derselben Sitzung hat der Sejm das entgegengesetzte Projekt zur Liberalisierung des Abtreibungsrechtes gleich bei der ersten Lesung abgelehnt.
Ein solcher Ablauf hat dazu geführt, dass hunderttausende Bürger, vor allem Frauen, aber auch sehr viele Männer, in schwarzer Kleidung auf die Straßen gegangen sind, um solidarisch zu protestieren. Am vergangenen Montag sind die polnischen Städte schwarz geworden. Protestiert wurde auch in einigen europäischen Metropolen, z.B. Berlin, Prag und Oslo. Über die Situation der Frauenrechte in Polen wurde dadurch im europäischen Parlament diskutiert und sogar weltweit berichtet.
Kompromiss bleibt
Der historische Kompromiss bleibt nun erstmal unberührt. Der Gesetzesentwurf des vollständigen Abtreibungsverbotes wurde zunächst vom Sejm-Ausschuss abgelehnt und zur erneuten Bearbeitung zurück in den Sejm geschickt. Heute haben die Abgeordneten entschieden: Das Projekt wurde komplett abgelehnt. Interessant ist die plötzliche Meinungsänderung der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Der Vorsitzende der Partei Jaroslaw Kaczynski argumentierte, dass eine Verschärfung der Vorschriften zum Schwangerschaftsabbruch nicht das gewünschte Ergebnis bringen würde, sondern ein umgekehrtes. Deswegen kündigte Premierministerin Beata Szydlo Arbeiten an Förderungsprogrammen der Regierung für Familien, die sich dafür entscheiden, ein behindertes oder schwerkrankes Kind zur Welt zu bringen und großzuziehen, an.
Vertreter der sogenannten Pro-Life-Bewegungen und der Organisation Ordo Iuris, die das umstrittene Projekt entworfen hat, äußerten ihre Enttäuschung und sagten, dass sie sich von PiS betrogen fühlten. Ordo Iuris hat auch versucht, einige Korrekturen zum eigenen Projekt anzumelden (z.B. Strafen für Frauen wegen der durchgeführten Abtreibung abzuschaffen), es hat aber nichts gebracht.
An der Abstimmung nahmen 428 Abgeordnete teil. Für die Ablehnung waren 352 Abgeordnete (davon 186 von PiS), gegen diese stimmten 58 Politiker. 18 haben sich der Stimme enthalten.
Bild: Rede von Beata Szydlo im Sejm // (cc) P.Tracz/KPRM [Public Domain Mark 1.0] / Flickr