Die gestrige Abstimmung im Sejm ist zur Seifenoper verkommen. Daran hatten nicht nur die zwei Protagonisten, Kornel Morawiecki und Malgorzata Zwiercan, Anteil, sondern auch die regierende Recht und Gerechtigkeit. Die staatlichen Medien haben nochmal einen draufgesetzt.
Viel könnte man über die gestrige Abstimmung im Sejm (erste Kammer des polnischen Parlamentes) schreiben. Es ging um die parlamentarische Bestätigung eines Richters zum Verfassungsgericht, dessen Entmachtung in den letzten Monaten für viel international negative Presse gesorgt hatte. Die regierende Recht und Gerechtigkeit (PiS) hätte mit dieser Wahl ein Friedensangebot an die Opposition machen können, indem die Partei zum Beispiel einen der Richter ernannt hätte, die noch vom alten Parlament bestätigt, aber dann nicht vom Präsidenten Andrzej Duda ernannt wurden. Nun sind wohl alle Türen für eine Zusammenarbeit zwischen Regierung und Opposition zugeschlagen. Diese wiederum hatte bei der Wahl über die Nichtteilnahme versucht, das benötigte Quorum zu verhindern.
Das klappte nicht, verkam jedoch zur Randnotiz, nachdem aufgefallen war, dass eine Abgeordnete von Kukiz’15, Malgorzata Zwiercan, für ihren Kollegen, die Solidarnosc-Legende Kornel Morawiecki (auch Kukiz’15) stimmte. Abstimmungen werden im Sejm durch ein elektronisches System aufgezeichnet und ausgewertet. Für die Wahl muss der Abgeordnete seine Stimmkarte in ein elektronisches Gerät stecken, den entsprechenden Knopf drücken und die Hand heben. Zwiercan, die im Sejm neben Morawiecki sitzt, hatte bei der Abstimmung nicht nur ihr elektronisches Wahlgeräte bedient, sondern auch das von Morawiecki, in dem seine Identifikationskarte steckte. Dieser hatte zuvor den Plenarsaal verlassen.
Für Regierungsmedien unwichtig
Nachdem dies aufgefallen war, stürmten Oppositonspolitiker zum Sejm-Marschall (vergleichbar mit dem deutschen Parlamentspräsidenten), um diesen offensichtlichen Wahlbetrug anzuzeigen und eine Wiederholung der Abstimmung zu erreichen. Nichts dergleichen geschah. Sejm-Marschall Marek Kuchcinski (PiS) beendete die Sitzung als wenn nichts gewesen wäre. Daher konnten die Abgeordneten auch keinen Antrag auf eine Wiederholung der Wahl stellen.
Erst im Nachgang haben von der Regierung unabhängige Medien diesen Vorfall aufgearbeitet. In der Hauptnachrichtensendung des staatlichen Fernsehens lief der Beitrag unter ferner liefen, irgendwo in der Mitte der mehr als 20-minütigen Nachrichtensendung. Während des Beitrages wurde nicht die Schuld der beiden Protagonisten in den Vordergrund gerückt und die Umstände dieser „Wahl mit zwei Händen“, sondern der Anteil der Opposition daran. Vorgeworfen wurde der Opposition, sie wollte der regierenden Mehrheit das Abstimmungsquorum entziehen und Oppositionspolitiker hätten die Aufnahmen gemacht, die Morawiecki und Zwiercan jetzt belasten.
Bild: Polnisches Parlament // (cc) Lukas Plewnia [CC BY-SA 2.0] / polen-heute.de/Flickr