Die Gründung des „Weimarer Dreiecks“ 1991 war mit großen Hoffnungen verbunden. Das bisherige deutsch-französische Tandem sollte um Polen als größten ostmitteleuropäischen Staat erweitert werden, um damit den europäischen Integrationsmotor zu stärken und die historische Teilung Europas dauerhaft zu überwinden. Die andauernden Meinungsdifferenzen zwischen der polnischen PiS und der deutschen CDU/SPD-Regierung haben den polnischen Außenminister Witold Waszczykowski dazu veranlasst, im Vorfeld des kommenden Außenministertreffens im Rahmen des „Weimarer Dreiecks“ Ende August 2016, das Format als ein „erschöpftes Format“ zu bezeichnen.
Das Format des „Weimarer Dreiecks“ wurde beim Außenministertreffen am 28. September 1991 in Weimar durch die damaligen Außenminister Roland Dumas (Frankreich), Hans-Dietrich Genscher (Deutschland) und Krzysztof Skubiszewski (Polen) gegründet. Seitdem finden jährlich Treffen zwischen den Außenministern aus den drei Staaten an unterschiedlichen Orten satt.
Die Grundidee des „Weimarer Dreieckes“ bestand darin, Grundinteressen der drei Staaten in Hinblick auf die zukünftige Gestaltung der EU zu identifizieren und um durch eine ausgeprägte Gesprächskultur diese in eine gemeinsame Vision zu bündeln und dabei das gegenseitige Verständnis zu fördern. In der Erklärung der Außenminister von 28.09.1991 heißt es dazu:
„Wir haben jetzt die einmalige Chance, das neue Europa in gemeinsamer Verantwortung im Geist menschlicher Solidarität, im Bewußtsein der Schicksalsverbundenheit und auf der ererbten Grundlage gemeinsamer Werte zu entwickeln. (…) Wir wollen eine umfassende Politik der Zusammenarbeit in den Bereichen der Kultur, der Bildung, der Wissenschaft, der Medien und der Austauschprogramme. Es bleibt unser Bestreben, menschliche Begegnungen über Länder und Sprachgrenzen hinweg, wo immer möglich, zu fördern. Quelle
Seit 1993 finden zusätzlich Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs sowie verschiedener Fachminister im Rahmen offizieller und inoffizieller Formate statt. Darüber hinaus werden auch Gäste zu den Treffen eingeladen, um sich über aktuelle politische Entwicklungen auszutauschen. Insbesondere bis zur EU-Osterweiterung hat sich das „Weimarer Dreiecks“ als sinnvoll erwiesen, um das nicht-Mitglied Polen in die EU-Entwicklung miteinzubeziehen.
Doch lebte dieses besondere Format immer vom Konsens und dem Willen gemeinsame Interessen zu definieren. Dieser Wille zum Konsens fehlt nun seit geraumer Zeit. Bereits 2006 hat der damalige polnische Staatspräsident Lech Kaczynski (Recht und Gerechtigkeit, PiS) das Format des „Weimarer Dreiecks“ angezweifelt. Der polnischer Ministerpräsident Donald Tusk (Bürgerplattform, PO) hat nach seien Wahl 2007 wiederum für eine Belebung des Formates geworben. Daher spiegelt sich die politische Abkühlung zwischen Warschau und Berlin, die mit der Machtübernahmen durch die PiS einhergeht, auch im „Weimarer Dreieck“ wieder.
Polen fokussiert sich unter der PiS auf die Visegrád–Gruppe
Es zeigt sich, dass die polnische EU-Politik unter der PiS-Regierung wenig Wert darauf legt ihre Politik mit Berlin abzustimmen. Das liegt zunächst an der unterschiedlichen Betrachtungsweisen der Probleme, sei es die Migrations- oder die Russlandpolitik. Während Berlin die Lösung der globalen Problem ausschließlich auf der multinationalen Ebene sieht und es daher als notwendig erachte Kompetenzen an die EU zu übergeben, sieht Warschau einen starken Nationalstaat als Grundlage für die Lösung der globalen Probleme. Anhand dieser unterschiedlichen Sichtweisen zeigt sich aber auch die gesamte innereuropäische Spaltung. Darüber hinaus fehlt in der PiS ein echter Wille mit Deutschland zusammenzuarbeiten. Die PiS betrachtet Deutschland, z.T. aus innenpolitischen Gründen noch immer als einen politischen Gegner, zu dessen Politik sie alternative Konzepte entwickeln möchte und fühlt sich von Berlin bevormundet. Entsprechend fokussier sich Warschau auf die Visegrád–Gruppe, um seine EU-Politik in diesem Format zu gestalten, was ihr aktuell durchaus erfolgreich gelingt. Doch verzichtet Warschau damit auf einen größeren Einfluss, den sie durch das „Weimarer Dreieck“ hätte ausüben können.
Das Verhältnis der Völker ist gut, die politischen Schlachten werden über die Medien geschlagen
Das „Weimarer Dreieck“, das zunächst als Gesprächsforum dreier Minister begann, hat in den vergangenen Jahren zu einer engen Zusammenarbeit der drei Länder auf den verschiedensten Ebenen geführt. Regionalpartnerschaften, Jugend- und Künstlerbegegnungen füllen das Format noch immer mit Leben. Aufgrund der aktuellen gegensätzlichen Interessen scheint sich das Format als politisches Forum tatsächlich „erschöpft“ haben, doch muss es dauerhaft nicht so bleiben. Denn neue Regierungen haben in der Vergangenheit immer wieder das „Weimarer Dreieck“ genutzt, um gemeinsame Interessen auf der EU-Ebene zu definieren. Bis dahin werden die unterschiedlichen Betrachtungsweisen zwischen Warschau und Berlin vor allem über die Medien ausgetauscht.
Bild: Polnische Flagge // (cc) Lukas Plewnia / polen-heute.de [CC BY-SA 2.0] / Flickr