Spätestens seit dem EU-Beitritt engagiert sich Polen für eine starke Anbindung der Ukraine an die EU. Umfragen zeigen, dass es sich dabei nicht nur um das Bestreben polnischer Eliten handelt, sondern dass sich auch der Großteil der polnischen Bevölkerung dafür ausspricht. In Deutschland hingegen kommt keine eindeutige Mehrheit für einen Beitritt zustanden. In der Ukraine selbst sprechen sich 47 Prozent für einen EU-Beitritt aus, während 27 Prozent eine Wirtschaftsunion mit Russland bevorzugen würden. Damit bleiben die Ukraine und die EU im der Causa Ukraine gespalten.
Die letzte CBOS-Umfrage vom Januar 2014 ergab, dass sich 73 Prozent der Polen für einen Beitritt der Ukraine zur EU aussprechen. 26 Prozent sprechen sich dabei für den nächstmöglichen Zeitpunkt aus. Nur 11 Prozent der Befragten lehnen einen Beitritt kategorisch ab. Bei der vorherigen Befragung Ende 2013 sprachen sich 74 Prozent der Befragten für einen Beitritt zur EU aus, doch nur 20 Prozent für den nächstmöglichen Zeitpunkt. Bereits während der Oangenen Revolution im Jahre 2004 gingen 67 Prozent der Polen davon aus, dass eine enge Anbindung der Ukraine an die EU im polnischen Interesse ist. Damit herrscht in Polen ein stabiler Konsens über eine enge Anbindung der Ukraine an die EU.
Einer Emnid-Umfrage aus dem Jahre 2014 zufolge sprachen sich 52 Prozent der Deutschen indes gegen einen Beitritt der Ukraine zur EU aus. 40 Prozent der Befragten würden einen EU-Beitritt begrüßen. Aus weiteren Umfragen geht hervor, dass 24 Prozent der Deutschen sich einen Beitritt in 10 bis 20 Jahren vorstellen könnten. Insgesamt zeigt sich, dass der Ukraine in der deutschen Öffentlichkeit nicht die strategische Bedeutung beigemessen wird wie in Polen.
Von Kutschma bis zum Euromaidan
Diese Spaltung in Deutschland und Polen ist in der Ukraine zugespitzt sichtbar. Denn seit ihrer Unabhängigkeit pendelte die Ukraine zwischen seinen östlichen und westlichen Nachbarn. Ende 1991 trat die Ukraine in die GUS ein. Doch orientierte sie sich gleichzeitig auch nach Westen. Bereits 1994 wurde ein Partnerschaftsabkommen mit der EU unterschrieben. Der damalige ukrainische Präsident Leonid Kutschma (1994-2004) sprach sich 1996 für eine langfristige Anbindung an die EU und NATO aus. Anfang 1996 folgte das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU, und Mitte 1997 ein NATO-Partnerschaftsabkommen.
Währende der Präsidentschaftswahlen 2004 wurde eine Stichwahl zwischen dem Russland zugeneigten Wiktor Janukowytsch und dem prowestlichen Wiktor Juschtschenko notwendig. Da Juschtschenko (2004-2010) aus diesem Wahlkampf als Gewinner hervor ging, konnte die Westintegration der Ukraine voranschreiten. Der Präsident sprach sich 2005 für eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine aus, 2007 starteten dann auch die Verhandlungen über ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit dem Staatenbündnis. Im Jahre 2009 trat die Ukraine der Östlichen Partnerschaft bei.
Wiktor Janukowytsch gewann 2010 die Präsidentschaftswahlen. Dem Machtwechsel zum Trotz sollte Ende 2011 das Ankommen mit der EU paraphiert werden. Am 21. November 2013 lehnte Wiktor Janukowytsch jedoch per Dekret die Unterzeichnung der Übereinkunft mit der EU ab. Die Folge waren die Proteste auf dem Euromaidan und die Absetzung des Präsidenten.
Zwischen Ost und West
Der politische Teil des Assoziierungsabkommens wurde am 21. März 2014 in Brüssel vom ukrainischen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk unterzeichnet. Doch spätestens seit der Orangenen Revolution wurde der europäischen Öffentlichkeit vor Augen geführt, wie gespalten die Ukraine in Bezug auf ihre außenpolitische Ausrichtung war und noch immer ist. Dies zeigt sich auch in den Wählerbefragungen.
Die Ukraine ist noch immer über die Frage gespalten, ob sie der EU oder einer Wirtschaftsunion mit Russland beitreten soll. In einer aktuellen Umfrage des KIIS (Kiev International Institute of Sociology) von Mitte 2014 sprachen sich 47 Prozent der Ukrainer für einen Beitritt in die EU aus und 27 Prozent votierten für eine Wirtschaftsunion mit Russland. Ende 2013 waren es noch knapp 38,5 Prozent, die für einen EU-Beitritt und 37,4 Prozent, die für die Wirtschaftsunion waren.
Besonders deutlich wird diese Spaltung sichtbar, wenn man die regionale Verteilung der Stimmen betrachtet. In der Westukraine sprachen sich in einer Umfrage Mitte 2014 82 Prozent für den EU-Beitritt aus und nur 5 Prozent für den Beitritt zur Wirtschaftsunion mit Russland. Im Osten hingegen waren nur 12 Prozent der Befragten für den Beitritt zur EU und 63 Prozent für den Beitritt zur russischen Wirtschaftsunion.
Man kann davon ausgehen, dass sich bei einem Referendum eine Mehrheit für den EU-Beitritt der Ukraine entscheiden würde. Doch würde wahrscheinlich auch ein Drittel der Ukrainer gegen den Beitritt stimmen. Wenn man dann davon ausgeht, dass realistisch betrachtet die Ukraine in absehbarer Zeit weder ökonomisch, noch politisch in der Lage sein wird die Beitrittskriterien zu erfüllen, dann stellt sich die Beitrittsfrage nicht wirklich. Insbesondere auch deswegen, da alle EU-Mitgliedstaaten dem Beitritt zustimmen müssten.
Stattdessen muss sich die EU dafür engagieren, gemeinsam mit Russland eine Lösung zu finden, um das Land dauerhaft zu befrieden. Sonst droht ein failed state mitten in Europa. Mit ihrem Konflikt im Osten befindet sich die Ukraine nämlich auf diesem Weg.