Die Überraschung konnte nicht größer sein: Laut aktuellen Wählerbefragungen gewinnt Andrzej Duda (PiS) mit 1,5 Prozentpunkten den ersten Wahlgang zur Präsidentschaftswahl. Damit hat Präsident Komorowski, der mit großen Erwartungen ins Rennen gegangen ist, schon jetzt verloren. Nun wird er nervös. Und wo bleibt die Linke?
Überraschender hätte die gestrige Wahl nicht ausfallen können. Andrzej Duda liegt laut neusten Wählerbefragungen mit 1,5 Prozentpunkten vorne. Dies hätte noch vor einigen Wochen niemand erwartet. Präsident Bronislaw Komorowski ist mit Zustimmungswerten von rund 60 Prozent in die Wahlen gegangen. Kommentatoren mutmaßten, dass deswegen die Vorsitzenden der Parteien Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, und des Bundes der Demokratischen Linken (SLD), Leszek Miller, nicht gestartet sind. Doch dann verlor Komorowski Tag für Tag an Zustimmung in den Umfragen, obwohl er bis zuletzt noch weit vorne lag. Der Musiker Pawel Kukiz als Dritter mit über 20 Prozent Zustimmung kann sich zu den Siegern der Wahl zählen.
Jetzt ist die Entrüstung im Lager der Bürgerplattform (PO), die das politische Rückgrat Komorowskis darstellt, groß. Der Präsident wird nervös. Nach wohl einer Nacht ohne Schlaf kündigte er heute Morgen auf einer Pressekonferenz an, er wolle mit Zustimmung des Senates eine Volksbefragung – diese Mittel sichert ihm die polnische Verfassung zu – anordnen, die sich mit drei Fragen befasst: der Direktwahl bei den Parlamentswahlen, der Abschaffung der Parteienfinanzierung durch den Staat, sowie Änderungen bei Entscheidungen von Finanzämtern hin zum „in dubio pro tributario“, also im Zweifel für den Steuerzahler. Damit richtet sich Komorowski klar an die Wähler von Kukiz, dessen wichtigste Forderung die Direktwahl per Mehrweitswahlrecht von Abgeordneten ist (winner-takes-all-System wie in Großbritannien). Die vom Präsidenten angedachte Befragung könnte das Land weiter liberalisieren – und diese verhältnismäßig radikalen Forderungen stehen nicht stellvertretend für den eher behutsamen Präsidenten, der für gewöhnlich als herzlicher Onkel daherkommt.
Auch in der SLD brodelt es. Man könnte fast von einem Shitstorm gegen Magdalena Ogorek sprechen, die von der Partei bereits zum Ende des Wahlkampfs mit Widerwillen unterstützt wurde. Mit 2,4 Prozent ist die SLD nun in der Bedeutungslosigkeit versunken. Das ist kein Wunder, wenn man, Stimmen von Parteimitgliedern aus den sozialen Netzwerken zufolge, eine neoliberale Kandidatin aufstellte, der jeglicher linker Stallgeruch fehlte. Wird Leszek Miller, SLD-Parteivorsitzender, jetzt zurücktreten?
Die vorläufigen Ergebnisse der Wählerbefragungen:
- Andrzej Duda: 34,5 Prozent
- Bronislaw Komorowski: 33,1 Prozent
- Pawel Kukiz: 20,4 Prozent
- Janusz Korwin-Mikke: 3,5 Prozent
- Magdalena Ogorek: 2,4 Prozent
- Adam Jarubas: 1,6 Prozent
- Janusz Palikot: 1,6 Prozent
Die offiziellen Wahlergebnisse werden noch für heute erwartet. Der zweite Wahlgang, in dem die Bürger zwischen Andrzej Duda und Bronislaw Komorowski wählen können, findet am 24. Mai statt. Bis dahin wird es ungeheuer spannend. Wer macht den entscheidenden Fehler? Wer verlieht die Nerven?
Bild: Andrzej Duda // (cc) Lukas Plewnia / polen-heute.de [CC BY-SA 2.0] / Flickr