Fiskalpakt passiert Sejm – Euro-Einführung in Sicht?

18. Feb – 03. Mär 2013
Polen ratifiziert EU-Fiskalpakt ++ Polska Plus – Aufstieg einer neuen Partei? ++ Tusk in Schwierigkeiten – Rücktritt des Justizministers?

EuropaflaggePolen ratifiziert den EU-Fiskalpakt

Am 20. Februar hat das polnische Parlament (Sejm) den EU-Fiskalpakt ratifiziert – mit 438 abgegebenen Stimmen, 282 Abgeordnete stimmten dafür und 155 dagegen.

Die Regierungsparteien PO und die ländliche Polnische Bauernpartei (PSL) stimmten gemeinsam mit den Oppositionsparteien SLD und RP für den EU-Fiskalpakt; Recht und Gerechtigkeit (PiS) und die konservative Solidarność in Polen (SP) waren dagegen.

Mit der Ratifizierung erwarb Polen das Recht, an den Sitzungen der Euro-Gruppe (der Länder, die den Euro als gemeinsame Währung haben) teilzunehmen. Der EU-Fiskalpakt sieht strenge Haushaltsauflagen vor, um einen Weg aus der Euro-Krise und hin zu einer stabilen gemeinsamen Währung zu finden.

So darf ein Staat in der Eurozone nur neue Schulden in Höhe von 0,5 % des BIP machen, und seine Gesamtverschuldung darf 60 % des BIP nicht überschreiten. Andernfalls werden Maßnahmen zum Abbau dieser Schulden ergriffen, die jedoch von der EU-Kommission genehmigt werden müssen.

Premierminister Donald Tusk bezeichnete die Ratifizierung als einen großen Schritt Polens in Richtung Euro; die rechte Opposition kritisierte die Abstimmung als „Aufgabe der nationalen Souveränität“. Dennoch ist Polen nicht an die Vorgaben des Pakts gebunden – das Land hat immer noch seine eigene Währung: den Zloty.

Darüber hinaus gibt es keine Möglichkeit, den Euro in Polen einzuführen, da die Verfassung mit einer Zweidrittelmehrheit geändert werden müsste – was bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen im Sejm nicht möglich ist.

Allerdings sieht die polnische Verfassung bereits ähnliche Grenzen für die Verschuldung und die Gesamtverschuldungsquote vor; eine strenge Frist setzt Sparmechanismen in Gang.

Polska Plus – Aufstieg einer neuen Partei?

In anderen europäischen Ländern sind die schnellen Veränderungen in der polnischen Politikszene kaum vorstellbar. So wurden beispielsweise die beiden größten Parteien in Polen, die liberale Bürgerplattform (PO) und die konservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Anfang der 2000er Jahre gegründet. Seitdem wurden eine ganze Reihe von Parteien ins Leben gerufen; die meisten von ihnen waren mäßig erfolgreich.

Nun scheint sich eine neue Formation am Horizont abzuzeichnen – zunächst gibt es Pläne, ein gemeinsames Ticket für die nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament zu bilden. Darauf haben sich am Freitag vergangener Woche Janusz Palikot von der Palikot-Bewegung (RP) und Aleksander Kwasniewski, ehemaliger Präsident Polens, bei einem Treffen geeinigt.

Das gemeinsame Mitte-Links-Ticket wird einige prominente Mitglieder der Linken (SLD) und der RP umfassen. Aleksander Kwasniewski hat nach wie vor hohe Beliebtheitswerte in der Bevölkerung und genießt eine hohe Medienaufmerksamkeit – es ist sehr wahrscheinlich, dass er der Spitzenkandidat sein wird.

Die Medien berichteten, dass Kwasniewski auf dem Ticket starten könnte und im Falle eines möglichen Wahlerfolges ein hohes Amt in der EU anstreben würde.

Unterdessen gibt es im linken Lager Unstimmigkeiten: Leszek Miller, Vorsitzender der SLD, ist gegen eine Zusammenarbeit mit Palikot. Ryszard Kalisz, ein wichtiges SLD-Mitglied, hat jedoch seine Teilnahme an dem neuen Projekt angekündigt.

Miller drohte ihm nun mit dem Ausschluss aus der Partei. Ob die neue Wahlliste erfolgreich sein wird, bleibt fraglich – die Palikot-Bewegung hat aufgrund der jüngsten Kontroverse um das Amt der Vizemarschallin Wanda Nowicka an Zustimmung in der Bevölkerung verloren.

Im Falle eines Wahlerfolges scheint eine engere Zusammenarbeit zwischen Palikot und Kwasniewski wahrscheinlich – die Partei oder das politische Bündnis würde dann heißen: Polska Plus.

Tusk in Schwierigkeiten – Rücktritt des Justizministers?

Schon seit Wochen sind Spannungen in der regierenden Bürgerplattform spürbar – der rechte Flügel der Partei stoppte die seit langem angekündigte und von Ministerpräsident Donald Tusk vor den Wahlen versprochene Reform der Lebenspartnerschaften.

Außerdem überraschte der rechte Flügel der Partei vor einigen Monaten mit einer Abstimmung, die eine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes zum Ziel hatte. Im Sejm hielt der Justizminister Jaroslaw Gowin eine Rede, die sich offen gegen Tusk richtete.

Danach wurde in den Medien über eine Entlassung Gowins spekuliert. Nach den Parlamentswahlen wollte Tusk jedoch die relativ starken politischen Gegner wie Gowin in die Regierung einbinden. Er wollte sie also unter Kontrolle haben – eine solche Zusammensetzung spiegelte auch den Pluralismus in der PO wider und befriedigte verschiedene Flügel.

Am vergangenen Freitag verkündete der Sprecher des Ministerpräsidenten, Pawel Gras, via Twitter, dass Tusk nächste Woche Montag über die Zukunft von Gowin entscheiden werde. Aufgrund der langen Vorgeschichte kann man eine weitreichende Entscheidung erwarten.

Sollte Gowin zum Rücktritt gezwungen werden, bestünde die Gefahr, dass die PO zerbricht. Alternativ dazu könnte Gowin mit einer relativ kleinen Gruppe von Abgeordneten zu einer Oppositionspartei wechseln. Dies könnte entweder zu einer neuen Regierungskoalition oder zu vorgezogenen Neuwahlen führen.