Forever… Smolensk

Schon jetzt ist Smolensk ins allgemeine polnische Gedächtnis eingegangen. Die Erinnerung wird sich in den nächsten Jahrzehnten festigen und wahrscheinlich Bestandteil des Geschichtsunterrichts. Weitere Kontroverseren sind gewiss.

Es ist Dienstag, gestern war Ostermontag, ein außergewöhnlicher Feiertag für fast alle Polen – die Bevölkerung besteht zu ca. 90 Prozent aus bekennenden Katholiken, die nicht nur an Feiertagen dem Gottesdienst beiwohnen. Das Wetter ist schön: Sonnenschein, über 10 Grad Celsius, der Frühling erwacht. Könnte etwas die Stimmung trüben? Ja, heute vor zwei Jahren ist die Präsidentenmaschine mit dem Präsidenten Lech Kaczynski und weiteren 95 Passagieren an Bord beim Anflug auf den Flughafen Smolensk-Siewiernyj abgestürzt. Alle Passagiere kamen ums Leben. Neben dem Präsidenten waren einige der wichtigsten polnischen Politiker und Personen des öffentlichen Lebens an Bord. Nach der Katastrophe gab es für kurze Zeit keine politischen Fronten – in der Trauer vereinte sich das Volk. Doch schon einige Wochen später sind die politischen Kämpfe, schärfer als je zuvor, ausgebrochen.

So ist es auch an diesem Dienstag – zwei Jahre danach. Tausende Anhänger von Recht und Gerechtigkeit (PiS) versammelten sich vor dem Präsidentenpalast in der Altstadt von Warschau. Schon Tage zuvor ist die Stimmung hochgekocht: Jaroslaw Kaczynski, Zwillingsbruder des verstorbenen Präsidenten, hat in mehreren Interviews, mal mehr, mal weniger deutlich bekundet, dass er die Katastrophe für einen Anschlag hält. Seiner Ansicht nach deutet vieles drauf hin, dass es zwei Explosionen an Bord der Maschine gab; diese stürzte daraufhin ab. Am Dienstagmittag bekräftigte Kaczynski seine Ansichten. Demnach seien die Flugzeuginsassen verraten worden, was jetzt schon fest stehen solle, unabhängig davon, was letztendlich die Gründe für den Absturz waren. Doch auch politische Bekenntnisse, unter anderem zur Außenpolitik Polens, hatte Kaczynski kundgegeben. Nach einer Messe am Abend fand eine weitere Kundgebung vor dem Präsidentenpalast statt. Ein weiteres Mal sprach Kaczynski zu seinen Anhängern. Ein weiteres Mal war die Stimmung gereizt.

Die Feierlichkeiten in Warschau stehen im Lichte einer tiefen Spaltung Polens. Zum einen ereigneten sich unter anderem im polnischen Parlament und auf dem Friedhof in Warschau, wo die meisten Opfer begraben sind, die staatlichen Feierlichkeiten. Und zum anderen hatte PiS eigene Feierlichkeiten durchgeführt – strickt von den staatlichen getrennt. Auch die Partei Solidarisches Polen (SP), die sich erst kürzlich als Teil von PiS abgespalten hat, veranstaltete eine eigene Trauerfeier. Im Gegensatz zum letzten Jahr gab es keine größeren Zwischenfälle, wenn auch die Stimmung sehr angespannt war. Dabei geriet das Flugzeugunglück in den Hintergrund; Kaczynski kündigte an, erneut als Präsidentschaftskandidat in den nächsten Wahlkampf zu ziehen – dieses steht entgegen früherer Ankündigungen, er werde nicht mehr als Kandidat zur Verfügung stehen.

Erstaunen mag man darüber, dass es – trotz scharfer Angriffe – lange keinen Kommentar der Regierung dazu gab. Doch das Schweigen endete abrupt. Es ist Donnerstag – Sitzungswoche des Sejm; ein Beschluss soll auf Antrag von PiS verabschiedet werden; es geht erneut um Smolensk und die Flugzeugkatastrophe. Der Sejm soll sich mit einem Appell an die russische Regierung richten, endlich das Flugzeugwrack der Präsidentenmaschine zurück zu geben. In der Begründung zum Beschluss wird auf Verfehlungen der polnischen Regierung hingewiesen. Bevor es allerdings zur Abstimmung kommt, entbricht im Parlament ein Streit, wie schon lange nicht mehr. Premierminister Donald Tusk ergreift das Wort. Oppositionsführer Kaczynski in die Augen schauend sagte Task, dass er lieber nicht geboren sein würde, als die eigene politische Karriere auf Gräbern aufzubauen. Danach konterte Kaczynski mit den üblichen, lange bekannten Argumenten. Im Kern machte er die Regierung – und dabei insbesondere Tusk – für die Flugzeugkatastrophe verantwortlich.

Am Ende wurde der Beschluss vom Sejm abgelehnt. Dagegen stimmten: die Bürgerplattform (PO), die Palikot-Bewegung (RP) und Teile der Linken (SLD).




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