Geteilte Rechte – Sachthemen haben keine Chance

Ein heißer Frühling in Polen – der politische Apparat läuft auf Hochtouren. Die Koalition aus Bürgerplattform (PO) und Bauernpartei (PSL) hat sich gerade darauf geeinigt, das Rentenalter anzuheben; die erste Lesung war letzte Woche Donnerstag. Das Gesundheitsministerium arbeitet daran, dringend für die Chemotherapie benötigte Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Auch sonst lohnt sich der Blick auf Reformen, die das Leben erleichtern.

Die öffentliche Realität ist jedoch eine andere – der Fokus ist auf die klerikale Rechte gerichtet. Dabei geht es um nicht mehr, als den Führungsanspruch. Auf der einen Seite ist da die Partei Solidarisches Polen (SP) mit dem charismatischen Vorsitzenden und ehemaligem Justizminister Zbigniew Ziobro. Auf der anderen Seite ist die größte Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) mit Jaroslaw Kaczynski an der Spitze.

Solidarisches Polen hat sich nach den letzten Parlamentswahlen, von Recht und Gerechtigkeit abgespalten. Der Vorwand war der Anspruch einer Gruppe von Funktionären um Ziobro herum, die Demokratisierung der Partei voranzutreiben – neue Lösungen sollten nach der sechsten Wahlniederlage in Folge gefunden werden. Die betreffenden Politiker wurden aus der Partei ausgeschlossen; die Gruppe der Parlamentaria war so groß (16 Personen), dass eine eigene Fraktion im Sejm (erste Kammer des polnischen Parlaments) gegründet werden konnte.

Seit dem kann der Zustand in der klerikalen Rechten als Einigkeit in der Spaltung begriffen werden. Beide Gruppierungen (PiS und SP) haben zwar nahezu identische Ansichten, erheben aber den Anspruch einer eigenen Identität – nehmen jedoch an den selben politischen Kundgebungen teil und vertreten dann identische Ansichten.

Das bindende Element zwischen beiden ist Redemptoristen-Pater und Medienunternehmer Tadeusz Rydzyk. Der Pater – der seit über 20 Jahren ein katholisches Medienimperium führt – hat beträchtlichen Einfluss auf die klerikale Rechte. Zurzeit mobilisiert er für die Einspeisung seines Fernsehsenders TV-Trwam in das neue terrestrische digitale Fernsehen, das in Polen in der Testphase ist. Vorletzte Woche auf einer Kundgebung für das digitale katholische Fernsehen (TV-Trwam) hat Kaczynski – zum ersten Mal – zur Einigkeit aufgerufen. Ziobro antwortete, dass er unter bestimmten Bedingungen zur – nicht näher erläuterten – Einheit bereit sein. Für den außenstehenden Betrachter ist jedoch nicht klar, was mit „Einheit“ gemeint ist. Doch nach zwei Tagen Annäherung ist das Thema hinfällig geworden. Eine Einigung beider Parteien ist in weite Ferne gerückt. Dabei ist längst nicht klar, ob PiS ohne SP auskommt.

Obwohl PiS breite Zustimmung in der Bevölkerung hat – je nach Umfrage zwischen 20 Prozent und 30 Prozent – und SP bei 2 Prozent bis 3 Prozent liegt, ist das Machtverhältnis bei weitem noch nicht geklärt. Erstens: Es sindnoch über drei Jahre bis zu den nächsten Parlamentswahlen. Zweitens: Pater Rydzyk setzt sich für Ziobro ein. Und Drittens: Die letzten Umfragen, durchgeführt von SMG/KRC in Auftrag von TVN, haben gezeigt, dass Kaczynski in der Beliebtheit nicht sehr weit vor Ziobro liegt. Dementsprechend würde Bronislaw Komorowski, der amtierende Präsident, mit 43 Prozent Zustimmung zum Präsidenten gewählt werden; Kaczynski würde 18 Prozent der Stimmen erhalten und Ziobro 11 Prozent.