Er ist Bestsellerautor, einer der bekanntesten deutschen Journalisten – viele nennen ihn das Enfant terrible der deutschen Presselandschaft: Matthias Matussek. Der DIE WELT-Journalist war am 1. Mai bei einer Kundgebung der polnischen Partei Bund der Demokratischen Linken (SLD) in Warschau. Auf Polen-heute.de berichtet Matussek über seine Eindrücke und Erlebnisse jenseits von Oder und Neiße.
Am 1. Mai haben wir uns auf einer Kundgebung der polnischen Linken/Sozialdemokratie getroffen; als besonderer Gast war der Präsident des Europaparlamentes Martin Schulz mit dabei. Warum waren Sie bei der Kundgebung?
Ich habe Polen als Journalist besucht, da ich an einem Artikel über Martin Schulz arbeite. Mich hat interessiert, wie er in Warschau aufgenommen wird. Er und die gesamte Delegation sind ganz freundlich empfangen worden, das Wetter war schön und es war einfach auch eine tolle Veranstaltung. Darüber hinaus hat Martin Schulz eine bewegende Rede gehalten.
Warum haben Sie als Journalist bei DIE WELT ein derartiges Interesse an einem sozialdemokratischen Politiker. Er gehört doch eigentlich nicht in Ihr politisches Lager.
Na hören Sie mal! Martin Schulz ist der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten und Präsident des Europaparlamentes. Es ist auch interessant, wie er als Deutscher in Polen und Europa in der Spitzenposition wahrgenommen wird.
Wie gefällt Ihnen Polen?
Ich habe es sehr genossen in Warschau zu sein. Dann bin ich noch weiter nach Krakau gefahren – es ist eine wundervolle Stadt mit all den Kulturdenkmälern und Museen. Ich habe mir unter anderem die Krakauer Franziskanerkirche, in der Johannes Paul II. predigte, angesehen. Es war ganz bewegend.
Auch finde ich die Entwicklung, das Wirtschaftswunder in Polen wirklich bewundernswert – ein Land, das seit dem Ende des Kommunismus ein rasantes Wirtschaftswachstum hinbekommen hat.
Sind Sie mit der polnischen Mentalität in Kontakt gekommen? Haben Sie sich mit Polen unterhalten können?
Ja, ich habe mich schon mit einigen unterhalten können. Da gibt es natürlich auch jede Menge Unzufriedenheit über die Regierung und über Korruption. Von Europa scheinen die Polen auch nicht besonders begeistert zu sein. Mit der EU-Mitgliedschaft sind sie zwar zufrieden, aber für die Wahl interessiert sich kaum jemand.
Menschlich hat mich fasziniert, dass ich oft mit den Menschen kommunizieren konnte, obwohl oft die sprachlichen Hürden unüberwindbar waren.
Wie stehen Sie zur Linken? Würden Sie sich als Linker bezeichnen? Denn Sie waren lange Zeit beim SPIEGEL und die Kundgebung am 1. Mai ist von einer sozialdemokratischen Partei organisiert worden.
Ich würde mich nicht als Linker bezeichnen. Als Schüler war ich Marxist/Leninist, aber das ist lange her. Ich werde in der deutschen Öffentlichkeit als konservativ wahrgenommen, was auch daran liegt, dass ich katholisch bin. Ich würde mich allerdings als libertär bezeichnen; persönliche Freiheit ist für mich das wichtigste Gut. Aber ich bin auch unberechenbar und jedes Mal neu entschieden. Jedoch hege ich sicher Sympathien für die Konservativen.
Polen ist von Deutschland aus gesehen eher klerikal und konservativ. Ihnen wird auch eine gewisse Nähe zur Kirche nachgesagt. Ist Ihnen somit Polen näher?
Ich fand in Krakau besonders schön, dass in der Franziskanerkirche am Sonntag im Stundentakt Messen abgehalten wurden. Also, wenn man sich entschieden hat, konnte man zur Messe gehen. Besonders positiv fand ich auch, dass der Katholizismus in Polen sehr lebendig und eine Selbstverständlichkeit ist.
Kommen wir zu einigen Fragen, die sicherlich unsere deutschen Leser interessieren und die nichts mit Polen zu tun haben. Sie waren lange Jahre – man kann sagen – der Frontmann des SPIEGEL und wechselten nach 26 Jahren zu DIE Welt. Wie lebt es sich beim Klassenfeind? Passen Sie besser zu Axel Springer?
Also die 68er und die Anti-Springer-Demonstrationen: Sehr viele von damals arbeiten jetzt beim Springer Verlag. Diese ideologischen Lager haben sich doch sehr stark aufgeweicht. Ich weiß, dass bei DIE WELT sehr guter Journalismus gemacht wird. Mein Wechsel hat auch mit meinem Alter zu tun. Nach 26 Jahren beim SPIEGEL und bevor ich in Pension gehe, wollte ich einfach mal was neues machen. Ich fühle mich sehr wohl bei DIE WELT.
Also ist beim SPIEGEL und bei DIE WELT die journalistische Arbeit genauso objektiv und sachorientiert?
Ja. Vor allem ist die Arbeit als Reporter gleich. Ich schreibe auf, was ich erlebe und mische mich da nicht in ideologische Debatten ein.
Sie sind praktizierender Katholik. Glauben Sie an Gott?
Es ist historisch bewiesen, dass es Jesus gab. Fragen könnte man höchstens, ob er Gottes Sohn war. Unbestritten ist allerdings, dass er eine Revolution des Gewissens in die Menschheit brachte. Viele Milliarden Menschen glauben an ihn. Für mich ist der Glaube ein existenzieller Bestandteil meines Lebens, der mir Hoffnung und Trost gibt.
Wir bedanken uns für das Gespräch.
Das Interview führte Lukas Plewnia am 6. Mai.
Bild: Matthias Matussek // (cc) Lukas Plewnia / Polen Heute [CC BY-SA 2.0] / Flickr