Der Begriff „Gender“ bewegt die Gemüter in Polen – er ist zu einem Kampfbegriff geworden. Der Bund der Demokratischen Linken will eine wissenschaftliche Debatte im Sejm, geistliche und rechtsklerikale Kräfte sprechen jedoch von einer „Ideologie, die Familie und Tradition zerstört.“ Zu Weihnachten hatten die polnischen Bischöfe in ihrem Hirtenbrief eindringlich vor „Gender“ gewarnt.
Am 18. Januar will die Parlamentsfraktion des Bundes der Demokratischen Linken (SLD) ein Seminar zum Thema „Gender“ durchführen. Es soll zwei Diskussionsrunden mit Expertinnen geben. Im Mittelpunkt werden das Frauenwahlrecht (wurde in Polen 1918 eingeführt) und eben Gender stehen. Dies hat die Partei heute bekannt gegeben.
Die SLD-Vizevorsitzende Paulina Piechna-Wieckiewicz sagte, es gehe darum, über Gender als wissenschaftliche Disziplin zu diskutieren und aufzuklären. Gleichzeitig wolle die Partei „dem immer stärker um sich greifenden Mythos, dass Gender Familie und Tradition zerstöre, Einhalt gebieten.“ Nach Ansicht Piechna-Wieckewicz‘, werde Gender im öffentlichen Diskurs zu oft fälschlicherweise als Ideologie bezeichnet.
Als erste Reaktion will Beata Kempa, Sejmabgeordnete der rechtsklerikalen Partei Solidarisches Polen (SP), eine parlamentarische Gruppe mit dem Namen „Stoppt die Gender-Ideologie“ einberufen. Noch im Januar soll es eine konstituierende Sitzung geben. In der Gruppe sollen sich vor allem Parlamentarier versammeln, die „das Eindringen der Ideologie Gender in die Schulen und Vorschulen beunruhige“, so Kempa.
Kampfbegriff „Gender“
Der Begriff „Gender“ ist im Polnischen zum Kampfbegriff geworden. Erst im Dezember des abgelaufenen Jahres hatte es eine intensive gesellschaftliche Debatte gegeben. Zu Weihnachten hatten die polnischen Bischöfe in den Kirchen einen Hirtenbrief zum Thema Gender verlesen. Darin hieß es zwar, Forschung zum Einfluss der Kultur auf das Geschlecht sei wichtig, doch warnten die Bischöfe davor, dass „Genderismus Prinzipien vertrete, die […] der Wirklichkeit und der Natur des Menschen vollkommen zuwieder seien.“
Nach Ansicht der Geistlichen liege die Gefahr der Ideologie Gender „in ihrem tief zerstörerischem Charakter sowohl gegenüber Personen, als auch zwischenmenschlichen Beziehungen, somit dem ganzen gesellschaftlichen Leben.“ Besonders vor der „Schwächung der Ehe als Gemeinsamkeit von Mann und Frau“ warnten die Bischöfe eindringlich. Der Inhalt des Hirtenbriefs war im Vorfeld vom polnischen Episkopat abgeschwächt worden. In der ursprünglichen Version war Gender noch mit zerstörten Familien und der Förderung von Pädophilie in Zusammenhang gebracht worden.
Besonders von rechten Parteien wird immer wieder vor der „Sexualisierung der Jugend“ gewarnt. Gerade in Schulen und anderen staatlichen Institutionen seien Kinder und Jugendliche in Gefahr. Eine dementsprechende Anfrage der rechtsklerikalen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zu sogennanten „Gender-Werkstätten“ in Warschauer Schulen hat jedoch bisher nur ergeben, dass es diese nicht gibt. Der zuständige Bürgermeister verneinte zudem, dass Lehrerkräfte im Fach „Gender“ geschult worden seien, wie PiS und SP vermuten.