Warschau, Juni 2025 – Polen hat einen neuen Präsidenten: Karol Nawrocki, Kandidat des nationalkonservativen Lagers und ehemaliger Leiter des Instituts für Nationales Gedenken (IPN), setzte sich in der Stichwahl am 1. Juni mit 50,89 % der Stimmen knapp gegen den liberalen Herausforderer und amtierenden Warschauer Stadtpräsidenten Rafał Trzaskowski (49,11 %) durch. Die Wahlbeteiligung lag bei bemerkenswerten 71,6 %.
Ein polarisiertes Land, zwei gegensätzliche Kandidaten
Die Wahl 2025 offenbarte erneut die tiefen gesellschaftlichen Gräben in Polen. Karol Nawrocki trat mit einem stark patriotischen Programm an, das traditionelle Werte, nationale Souveränität und eine kritische Haltung gegenüber der EU betonte. Unterstützt wurde er maßgeblich von der Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS) sowie rechtskonservativen Medien.
Nawrockis Wahlkampf war umstritten – Medien und Gegner wiesen auf Berichte über seine Beteiligung an Ausschreitungen von Fußballfans, seine Geschäftsbeziehungen und einen Rechtsstreit um Immobilien hin.
Sein Kontrahent, Rafał Trzaskowski, vertrat das liberale, pro-europäische Lager. Er warb für die Wahrung der Demokratie, die Stärkung der EU-Anbindung Polens und eine offene Gesellschaftspolitik.
Überraschung in der ersten Runde: Mentzen als Zünglein an der Waage
Die erste Wahlrunde am 18. Mai 2025 verlief überraschend spannend. Zwar gingen Karol Nawrocki und Rafał Trzaskowski erwartungsgemäß als Favoriten ins Rennen, doch Sławomir Mentzen, Kandidat der wirtschaftsliberalen und nationalkonservativen Partei Konfederacja, erzielte mit knapp 15 % der Stimmen ein unerwartet starkes Ergebnis.
Mentzens Erfolg spiegelte die Unzufriedenheit vieler jüngerer, städtischer Wähler wider, die sich weder vom etablierten konservativen noch vom liberalen Lager vertreten fühlten. Besonders durch seine massive Präsenz in den sozialen Medien und seine betont EU-kritische Haltung gewann er in der jungen Wählerschaft an Boden.
Das Abschneiden Mentzens wurde in der Folge zum Zünglein an der Waage: Seine Wählerschaft entschied maßgeblich über den Ausgang der Stichwahl. Viele seiner Unterstützer votierten in der zweiten Runde für Nawrocki – entweder aus ideologischer Nähe oder aus Ablehnung gegenüber der liberalen Politik Trzaskowskis.
Wahlausgang mit Nachhall – politische und juristische Folgen
Obwohl das Präsidentenamt in Polen formal vor allem repräsentative Funktionen erfüllt, besitzt der Präsident ein Vetorecht, das insbesondere bei gegensätzlicher Zusammensetzung von Regierung und Präsidentschaft erhebliches Gewicht erhält.
Da die derzeitige Regierung unter Premierminister Donald Tusk pro-europäisch ausgerichtet ist, wird mit einem verstärkten institutionellen Konflikt zwischen Exekutive und Staatsoberhaupt gerechnet. Tusk überstand zwar ein unmittelbar nach der Wahl einberufenes Vertrauensvotum im Sejm, kündigte aber strukturelle Anpassungen und eine intensivere Kommunikation an, um zukünftige Blockaden zu vermeiden.