Die öffentliche Debatte in Polen wird immer seichter. In den Leitmedien werden nicht mehr die großen Themen diskutiert. Es geht um kleinliches Geplänkel ohne Belang. Parallel dazu erscheint auch die Zivilgesellschaft ruhig zu sein. Gibt es einen Ausweg?
Wir stehen kurz vor der Europawahl, auch die Parlamentswahlen sollten im Herbst diesen Jahres in Polen kommen. Damit sind wir mitten in einem wichtigen Wahljahr für Polen, in dem die Bevölkerung wichtige Richtungsentscheidungen trifft.
Autoritärer Sozialstaat vs. liberale Wirtschaftsdemokratie
Denn es geht um nichts anderes, als um den Weg, den die polnische Demokratie einschlagen wird. Gewinnt die regierende Recht und Gerechtigkeit (PiS), wird sich das System des autoritären Sozialstaates zementieren. In diesem gibt es zwar ein hohes Kindergeld und eine erhöhte soziale Absicherung, aber auch Vetternwirtschaft, Autoritarismus und Propagand, verordnet durch die regierende PiS.
Sollte PiS in den zwei kommenden Wahlen geschwächt werden, gibt es eine weitere Chance für das Fortbestehen der Demokratie. Dabei müsste die Partei lediglich die absolute Mehrheit im Parlament verlieren und schon wäre der Zauber verflogen. Doch kommt es dazu? Von außen ist die Situation so unklar, wie im Kasino am Rouletttisch.
Kleinliches Geplänkel ohne Richtung
Denn durch die aktuelle politische Debatte geht kein Ruck. Die großen Themen werden nicht diskutiert. Es ist eher das kleinteilige Gespräch um Belanglosigkeiten, Nebelkerzen werden gezündet. Oft berichten die wichtigsten Internetnachrichten über Autounfälle, Kriminalgeschichten und Einzelschicksale. Vergessen scheint die Zeit, in der es in den überregionalen Medien um wichtige politische Themen ging, die gut aufbereitet präsentiert wurden.
Auch die Zivilgesellschaft erscheint geschwächt. Proteste auf der Strasse? Gibt es nicht. Nennenswerte Vorstösse der Opposition? Keine Spur. Polen scheint sich damit in einer Art Lethargie zu befinden, aus der es anscheinend keinen Ausweg gibt.
Freie öffentliche Medien
Dieser Niedergang der Qualität der öffentlichen Debatte ist einhergegangen mit der vollständigen Politisierung der öffentlichen Medien nach dem Sieg von Recht und Gerechtigkeit bei den letzten Parlamentswahlen im Herbst 2015. Dabei erlangte die Partei einen erdrutschartigen Triumf und in der Folge die absolute Mehrheit im Parlament.
Der Parteivorsitzende und Alleinherrscher Jaroslaw Kaczynski konnte im Parlament und in der Regierung (als Nicht-Regierungsmitglied) durchregieren. Die öffentlichen Medien sind schnell unterjocht worden, wie nie zuvor seit 1989. Und eben hier begannen die privaten Medien auch langsam an Qualität zu verlieren. Die Themen wurden immer seichter, die Webseiten von Seiten wie tvn24.pl wurden immer stärker mit Werbung zugekleistert.
Diese Abwärtsspirale scheint kaum zu stoppen. Ich sehe lediglich positive Impulse, sollte Recht und Gerechtigkeit bei den Wahlen zum Europaparlament Stimmen einbüßen und bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit verlieren. Koalitionsverhandlungen mit einer anderen Partei würden die Partei entzaubern, sie innerlich zerstreiten und damit schwächen. Das wiederum wäre eine Chance für die öffentlichen Medien, um höherwertige und unabhängige Inhalte zu liefern. Die privaten Medien müssten dann nachziehen.
Die Zukunft ist unbekannt
Welchen Weg Polen einschlagen wird, kann aktuell nicht erahnt werden. PiS bleibt stark in den Umfragen, wie keine Partei zuvor nach über drei Jahren Regierungszeit. Daher wäre eine positive Entwicklung eher überraschend. Aber die polnischen Bürger waren schon immer gut darin einen neuen Weg einzuschlagen. Somit: lassen wir uns überraschen.