Der Mord an rund 100.000 Polen durch die Ukrainische Aufstandsarmee während des Zweiten Weltkriegs ist kein Völkermord gewesen. So jedenfalls hat es das polnische Parlament heute beschlossen. Gestern jährte sich der 70. Jahrestag des Massakers in Wolhynien, das zunächst mit der Ermordung von über 10.000 Polen begann („Blutiger Sonntag“) und sich über mehrere Monate in der Nordwestukraine hinzog. Die nationalistische Ukrainische Aufstandsarmee hatte gegen Polen und die Rote Armee für einen unabhängigen ukrainischen Staat gekämpft. Für dieses Ziel hatte sie auch vor der Kooperation mit der Besatzungsmacht, dem Deutschen Reich, nicht Halt gemacht.
Der Sejm gedachte dem Massaker nun mit einer Deklaration, um die es – wie bisher immer – einen Streit gegeben hat. Während vor fünf Jahren von „Verbrechen mit den Kennzeichen eines Völkermords“ gesprochen wurde, entschied sich der Sejm dieses Mal für die Formulierung „ethnische Säuberung mit den Kennzeichen eines Völkermordes“. Die Erklärung wurde mit 263 zu 33 Stimmen bei 146 Enthaltungen angenommen. Die Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte sich enthalten, weil sie zuvor mit ihrer Forderung, das Massaker klar als Völkermord zu benennen, gescheitert war. Dank einer festen Fraktionsdisziplin und der Hilfe der Palikot-Bewegung (RP) hat es die regierende Bürgerplattform (PO) geschafft, den Änderungsantrag abzulehnen. Außenminister Radoslaw Sikorski hatte in seiner Rede zuvor das Parlament aufgerufen, die Ukraine „nicht zu demütigen“ und eine Verschärfung der Formulierung abzulehnen. Lediglich der konservative Flügel um Ex-Justizminister Jaroslaw Gowin war aus der Fraktionsdisziplin ausgeschert.
Niederlage bei ritueller Schlachtung
Bei einer anderen Abstimmung aber gab es bei der PO keine Fraktionsdisziplin und prompt fiel ihr eigenes Gesetzesvorhaben durch: die rituelle Schlachtung von Tieren wird in Polen nicht erlaubt. Die Regierung selbst hatte das Gesetz zur Legalisierung der rituellen Schlachtung eingebracht, die Partei war aber bei der Frage tiefgespalten gewesen. Weil die Palikot-Bewegung und der Bund der Demokratischen Linken (SLD) das neue Gesetz rundweg ablehnten, konnten sich die Befürworter des Schächtens im Parlament insgesamt nicht durchsetzen. Besonders Solidarisches Polen (SP) und die Bauernpartei (PSL) hatten für die (Wieder-)Legalisierung votiert, die erst Anfang des Jahres durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofs verboten worden war.
Sie hatten mit Einbußen beim Fleischexport und dem drohenden Verlust von rund 5.000 Arbeitsplätzen im Landwirtschaftssektor argumentiert. Nach religiösen Vorschriften behandelte Fleischprodukte machen in Polen einen nicht unwesentlichen Anteil an den Fleischexporten aus. Die Gegner des Schächtens hatten dagegen mit dem Tierschutz argumentiert. Ministerpräsident Donald Tusk zeigte sich nicht besorgt über die Spaltung seiner Fraktion. Er verstünde das Dilemma, vor dem die Parlamentarier gestanden hätten. Sein eigener Verstand sei traurig, aber sein Herz glücklich.