Im Sejm kam es heute zur Abstimmung, ob weiter an einer Neufassung des diesjährigen Haushalts und des Gesetzes über die öffentlichen Finanzen gearbeitet werden soll. Vor einigen Tagen mussten Ministerpräsident Donald Tusk und Finanzminister Jacek Rostowski eingestehen, dass die Einnahmen dieses Jahrs fast sechs Milliarden Euro niedriger ausfallen werden. Daher schlägt die Regierung eine Ausweitung des Defizits um knapp vier Milliarden Euro vor. Weil damit das polnische Defizit 50% des BIP überschreiten würde, was laut Gesetz automatische Kürzungsprogramme nach sich ziehen würde, soll die Defizitgrenze für dieses Jahr außer Kraft gesetzt werden.
Solidarisches Polen (SP) und der Bund der Demokratischen Linken (SLD) hatten einen Ablehnungsantrag gegen das Projekt gestellt, dieser ist mit knapper Mehrheit aber heute gescheitert. Das Problem für die regierende Bürgerplattform (PO) ist ein anderes: drei Abgeordnete der eigenen Fraktion enthielten sich. Sie argumentierten, dass mit der Neufassung des Finanzgesetzes der Staatsverschuldung Tür und Tor geöffnet werden könnte.
Gowin brüskiert Tusk
Unter den Abweichlern befindet sich wieder einmal Ex-Justizminister Jaroslaw Gowin, inoffiziell Führer des konservativen Flügels der Partei. Er hatte nach mehreren Konfrontationen mit Parteichef Tusk seinen Hut nehmen müssen. Kurz darauf erklärte er, er werde gegen Tusk als neuer Parteichef kandidieren. Dieser wird bis zum 20. August in einer Urabstimmung unter den Parteimitgliedern gewählt.
Ministerpräsident Donald Tusk scheint derweil komplett die Geduld mit seinem widerspenstigen Parteikollegen, der bei Abstimmungen immer wieder gegen die Parteidisziplin verstößt, verloren zu haben. Er lehne es ab, sich mit Gowin zu treffen, weil dieser „die Bürgerplattform schwäche und ihr schade“. Er habe eher den Eindruck, dass Gowin „ein eigenes Projekt aufbaue, anstatt die Bürgerplattform zu unterstützen“. Sein Herausforderer forderte dagegen das Recht auf eine Debatte ein. Seiner Ansicht nach drücke sich Tusk vor der direkten Konfrontation, weil er Angst habe.