Heute erfolgte ein erneuter Versuch im polnischen Parlament, über die Ratifizierung der Konvention zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt abzustimmen. Und erneut führte dieses Thema zu einer heftigen Diskussion im Plenarsaal. Die rechten Parteien sowie die katholischen Vertreter sind entschieden gegen das Übereinkommen, weil es das traditionelle, christliche Familienmodell gefährde und die Gender-Ideologie unterstütze. Nun wird der Gesetzentwurf erneut geprüft werden müssen.
Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt entstand bereits 2011 und wurde bisher von 36 Ländern unterzeichnet. In 14 dieser Länder ist die Konvention am 1. August 2014 in Kraft getreten. Die Konvention schafft rechtliche Normen zur Vorbeugung und Bekämpfung der häuslichen Gewalt sowie der Gewalt gegenüber Frauen. Das Übereinkommen setzt die Gleichstellung der Geschlechter in den Verfassungen und Rechtssystemen voraus.
Obwohl mehrere Organisationen für die Ratifizierung des Übereinkommens in Polen kämpfen – unter anderem Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und die Frauenorganisation Feminoteka – bleibt diese Konvention nach wie vor ein sehr umstrittenes Thema. Die Vertreter der Bürgerplattform (PO) und der Partei Deine Bewegung (TR) versuchen, ihre Parlamentskollegen zu überzeugen, dass das Übereinkommen zum Wohle der polnischen Frauen und Familien gedacht ist. Beata Bublewicz (PO) und Robert Biedron (TR) argumentierten, dass das Phänomen der sexuellen und häuslichen Gewalt unmittelbar mit dem Geschlecht verbunden sei. Laut Statistiken sollen in Europa jeden Tag sieben Frauen wegen gegen sie gerichteter Gewalt sterben. Allein in Polen sterben jedes Jahr rund 150 Frauen durch solche Gewalttaten. 700.000 bis 1.000.000 Polinnen sind jährlich von der Gewalt betroffen. Jede zehnte Frau ist ein Opfer von versuchter oder begangener Vergewaltigung.
Keine Gleichstellung der Geschlechter?
Die Parteien Recht und Gerechtigkeit (PiS) und Gerechtes Polen (SP) ließen sich heute wieder nicht überzeugen. Malgorzata Sadurska (PiS) sagte, es müsse der Gewalt entgegengewirkt werden, aber es dürfe nicht sein, dass unter diesem Vorwand Vorschriften eingeführt werden, die verfassungswidrig seien und das traditionelle Familienmodel gefährdeten. Beata Kempa (SP) war der Meinung, es solle die Gleichheit der Chancen geben, aber nicht der Geschlechter. Das sage die Natur, die Biologie und die Religion.
Die unabhängige Abgeordnete Marzena Wrobel äußerte die Ansicht, dass die Konvention gefährlich und sogar skandalös sei. Auch sie meint, das Übereinkommen verstoße gegen die Tradition, Familie und den christlichen Glauben, was nicht zu akzeptieren sei.
Sinnloser Kampf
Die Parlamentsprecherin für Gleichbehandlung Malgorzata Fuszara versuchte die Gegner zu überzeugen, dass die sogenannte Istanbulkonvention andere Ziele habe, als diese befürchten. Es gehe einzig und allein um die Opfer der Gewalt und deren Sicherheit. Sie betonte auch, dass der im Übereinkommen erwähnte Zusammenhang der Gewalt mit dem Geschlecht nicht zufällig sei: rund 90 Prozent der Opfer seien Frauen. Dabei seien die Argumente der Gegner gegenstandslos, denn die Konvention beinhalte keine Definitionen der Familie oder Partnerschaften (also die von den rechten Parteien befürchtete Gender-Ideologie).
Stattdessen thematisiert die Konvention die Rolle der Geschlechterstereotype, nach denen die Frau dem Mann untergeordnet sei. Aus all den Gründen, so Fuszera, kämpften die Abgeordneten der konservativen Parteien gegen etwas, was es überhaupt nicht gäbe.
Nach der heutigen heftigen Diskussion werden sowohl die Konvention, als auch die Verbesserungsvorschläge noch mal zur Prüfung an entsprechende Organe weitergeleitet. Ob sie danach ratifiziert wird, bleibt offen.