Macrons Warschau-Besuch: Kein Aufbruch aber Entspannung

Nach fast drei Jahren im Amt hat der französische Präsident Emmanuel Macron Anfang 2020 zum ersten Mal Warschau einen Besuch abgestattet. Bei seinem ersten offiziellen Besuch wurde der französische Präsident zwar mit großem wollwollen empfangen, doch stieß er auf die gleichen Vorbehalte, wie bereits in Berlin. Es wurden dennoch gemeinsame Kooperationsfelder definiert und ein enger bilateraler Austausch auf der EU-Ebene vereinbart. Durch den Besuch erhofft sich vor allem die polnische Regierung eine Verbesserung der schlechten bilateralen Beziehungen, aber auch Paris hofft auf eine vertiefte Zusammenarbeit.

Französische Botschaft in Warschau

Aufgrund der zuvor von Macron mehrmals geäußerten Kritik an der rechtsstaatlichen Entwicklung Polens, war dieser Besuch mit Spannung erwartet worden. Vor allem der Brexit und die Sprachlosigkeit Berlins durften Macron dazu bewogen haben, auf Warschau zuzugehen.

So betonte der französische Präsident zwar die europäischen Werte und seine Besorgnis über die polnische Justizreform, wollte Polen aber keine Ratschläge erteilen und verwies auf den Dialog mit der EU-Kommission. Die polnische Regierung sieht hingegen ihre Justizreform, aufgrund der sie sich seit Jahren mit der EU-Kommission in einer Auseinandersetzung befindet, als eine innenpolitische Angelegenheit an.

Historisch schlechten bilateralen Beziehungen

Verfassungsgericht in Warschau

Das bilaterale Verhältnis zwischen den beiden Ländern verschlechterte sich deutlich, als 2016 die damals neu gewählte PiS-Regierung einen von der Vorgängerregierung unterzeichnen Vertrag über die Lieferung von 50 Airbus Caracal-Hubschraubern stornierte. Daraufhin hat Paris angekündigt, seine Militärhilfe für Polen zu senken und der damalige französische Präsident Francois Hollande sagte seinen anstehenden Besuch in Warschau ab.

Auch Macron setzte bereits zu Beginn seiner Präsidentschaft auf einen konfrontativen Kurs gegenüber Warschau. Bei einer kontroversen Diskussion über die zukünftige Entwicklung der EU ließ er sich zu der Aussage hinreißen, die Polen würde eine bessere Regierung als die der PiS verdienen. Die damalige polnische Regierungschefin Beata Szydlo warf ihm daraufhin Arroganz vor.

Unterschiedliche Vorstellungen von der zukünftigen EU

Fest der polnischen Armee - 2016

Diese Kontroverse zwischen Warschau und Paris resultierte aus den unterschiedlichen Vorstellungen über die zukünftige Entwicklung der EU.

Macron ist bereits als französischer Präsidentschaftskandidat als der große EU-Reformer aufgetreten. Im Wahlkampf sprach er sich für die Angleichung der sozialen Standards innerhalb der EU, sowie für die Stärkung der Eurozone aus. Er forderte eine stärkere Transferunion und mehr Investitionen. Auch als Präsident plädiert er für eine stärkere Zentralisierung der EU. Dadurch soll die EU außenpolitisch mehr Gewicht bekommen. Zuletzt stellte Macron in Aussicht, den französischen Atomschirm über die ganze EU auszudehnen. Für ihn ist eine strake EU die Grundvoraussetzung für den ökonomischen Erfolg der einzelnen Mitgliedstaaten.

Mit seinen Vorschlägen ist Macron bereits in Berlin auf große Skepsis gestoßen. Die Bundesregierung verfolgt auf der EU-Ebene eine Austeritätspolitik und außenpolitisch möchte sie weder selbst, noch Teil einer hard power sein. Berlin verlässt sich auf multinationale Organisationen, die in der Regel als soft power agieren und dadurch in ihren Möglichkeiten stark eingeschränkt sind.

Flaggen vor dem Präsidentenpalast in Warschau

Warschau sieht sich auch 16 Jahre nach dem EU-Beitritt noch immer ökonomisch weit hinter den westeuropäischen Staaten. Für Polen sind die unterschiedlichen Standards innerhalb der EU ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Polen, sowie die anderen osteuropäischen Staaten, profitiert von den niedrigeren sozialen Standards und dem niedrigerem Lohnniveau, indem es daraus Wettbewerbsvorteile für sich nutzen kann. Das gleiche gilt für den polnischen Zloty. Außerdem herrscht in Polen die Befürchtung, bei einer stärkeren Zentralisierung von einem deutsch-französischen Tandem dominiert zu werden. Warschau ist ein großer Befürworter einer militärischen Aufrüstung, doch im Rahmen der NATO. Gerade unter dem US-Präsidenten Donald Trump entwickeln sich die bilateralen Beziehungen sehr gut. Wobei Warschau feststellen musste, dass es trotz der guten Beziehungen nicht als strategischer Partner von den USA wahrgenommen wird.

Allen politischen Unstimmigkeiten zum Trotz, bestehen zwischen den beiden Ländern enge wirtschaftliche Beziehungen. Frankreich ist für Polen der viertgrößte Wirtschaftspartner und Polen liegt an zehnter Stelle als Wirtschaftspartner Frankreichs. Da beide Länder bei ihren doch sehr unterschiedlichen innereuropäischen Plänen auf innereuropäische Koalitionspartner angewiesen sind, scheint eine Annäherung auf einigen Feldern möglich.

Window of Opportunity

Gerade in der letzten Zeit scheint sich ein „window of opportunity“ für gemeinsame Kooperationsfelder beider Länder geöffnet zu haben. Dafür sind vor allem drei Gründe verantwortlich.

Zunächst einmal hat der Brexit das Machtgefüge innerhalb der EU stark durcheinandergebracht. Hierbei sieht vor allem Macron die Chance für neue Gestaltungsmöglichkeiten durch neue Koalitionen. Warschau befürchtet hingegen von den Gestaltungsprozessen ausgeschlossen zu werden, wenn es sich denen gänzlich verweigert.

Der zweite Grund ist die Sprachlosigkeit Berlins. Auch aus innenpolitischen Gründen verfolgt Macron mit großem Eifer seine außenpolitische Agenda. Der französische Präsident hat große Erwartungen an Berlin gehabt, doch musste er feststellen, dass Berlin seine Initiativen mit großer Skepsis betrachtet und bisher weitgehend ignorierte. Der französische Präsident ist daher auf neue Kooperationspartner für seine Reformbemühungen angewiesen. Daher kann er das größte ostmitteleuropäische Land nicht dauerhaft ignorieren, vor allem da es gemeinsame Interessen gibt. Dabei durfte sich in Paris die Erkenntnis durchgesetzt haben, dass die PiS auch in der nahen Zukunft der Ansprechpartner in Warschau sein wird.

Der dritte Grund sind die Gespräche über den zukünftigen EU-Haushalt 2021-27. Hierbei geht es um die Neugestaltung des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) der EU. Im Zentrum stehen sowohl das Volumen, als auch die Verteilung der Finanzmittel.

Polen und Frankreich befinden sich dabei in zwei unterschiedlichen strategischen Interessengruppen. Polen zählt zu den größten Nettoempfängern und damit zu denjenigen Staaten, die den Status-quo bewahren möchten. Folglich ist Warschau daran interessiert, dass vor allem die großen Agrarsubventionen sowie der üppige Kohäsionsfonds beibehalten werden. Damit diese trotz des Brexits beibehalten werden können, ist Warschau zu einer moderaten Erhöhung der nationalen Beiträge bereit. Frankreich hingegen befindet sich mit Deutschland in der Gruppe der moderaten Reformer. Sie fordern, dass die Ausgabenpolitik der EU stärker auf den europäischen Mehrwert, z.B. in Bereich des Schutzes der EU-Außengrenzen, ausgerichtet werden soll. Darüber hinaus möchte Frankreich die Streichung von Rabatten, sowie die Einführung einer Digitalsteuer, um die Eigenfinanzierung der EU zu verbessern. Obwohl sich beide Staaten in unterschiedlichen Interessengruppen befinden, gibt es überschneidende nationale Interessen.

Gemeinsamkeiten bei der EU-Agrarpolitik, einer Digital- und Finanztransaktionssteuer, sowie einer CO2-Steuer

2010 bewertete noch eine knappe Mehrheit der Befragten, 30 Prozent, die Arbeit der Antikorruptionsbehörde negativ, während 29 Prozent der Befragten ihre Arbeit als positiv bewertete. Seit 2018 befinden sich die Zustimmungswerte auf einem Höchststand von 45 bis 47 Prozentpunkten, während sich die negativen Bewertungen zwischen 10 und 16 Prozentpunkte für den gleichen Zeitraum bewegten.

Die höchste Zustimmungsrate genießt die Antikorruptionsbehörde unter den PiS-Anhängern, 69 Prozentpunkte. Aber auch eine Mehrheit PO-Anhänger, 43 Prozent, sieht ihre Arbeit positiv.

Die öffentlich-rechtlichen und die privaten Medien

Polnisches öffentlich-rechtliches Radio

Bereits im Vorfeld des Treffens in Warschau wurde ein bilaterales strategisches Kooperationsabkommen für den Zeitraum 2020-2023 unterzeichnet. Dabei geht es vor allem um gegenseitige Konsultationen und Abstimmungen bei nationalen europäischen Initiativen. Einen Ausbau der militärischen Kooperation und militärisch-technologischen Zusammenarbeit, z.B. in Form einer möglichen Beteiligung Polens an dem deutsch-französischen Panzerprojekt. Sowie bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Insbesondere bei der Digitalisierung, sowie bei der Mitwirkung im Rahmen der OECD an einer Digitalsteuer.

Einer Finanztransaktionssteuer steht Warschau ebenfalls offen gegenüber. In Bereichen der Energiepolitik und des Klimaschutzes wurden Kooperationsfelder bestimmt. Diese umfassen sowohl regenerative, als auch nukleare Energiequellen. Darüber hinaus wurden weitere zivilgesellschaftliche Kooperationsfelder definiert. Insbesondere bei der Beibehaltung der straken EU-Agrarsubventionen verfolgen beide Länder die gleichen Interessen. Schließlich wurden noch eine weitreichende Kooperation und bilaterale Abstimmungen auf der EU-Ebene vereinbart. Hierbei soll auch das Format des Weimarer Dreiecks wiederbelebt werden. Bei zukünftigen Initiativen sollen aber auch die restlichen Mitglieder der Visegrád-Gruppe hinzukommen können.

Die Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks?

Sowohl Paris, als auch Warschau und Berlin sprechen sich seit langem für eine Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks aus. Das Weimarer Dreieck wurde als dreiseitiges Gesprächs- und Konsultationsforum am 28. August 1991 gegründet, um die historische Spaltung Europas zu überwinden und die Zukunft Europas gemeinsam zu gestalten.

Hier zeigt sich aber auch schon die größte Schwäche des Weimarer Dreieck Formates. Aktuell herrschen bei den grundsätzlichen EU-Zukunftsfeldern unterschiedliche Standpunkte. Sowohl in der Währungs-, als auch in der Migrations-, Energie- und Außenpolitik herrschen zwischen den drei Akteuren unterschiedliche Standpunkte. Schließlich fehlt es aber auch seit der Regierungsübernahme durch die PiS an einer persönlichen Beziehung zwischen den jeweiligen Regierungsvertretern. Somit erscheint eine französisch-deutsch-polnische Achse aktuell nicht realisierbar.

Ein außenpolitischer Erfolg, doch für eine strategische Partnerschaft fehlen die Gemeinsamkeiten

Für Warschau war der Besuch ein außenpolitischer Erfolg. Denn mit seinem Besuch hat Macron die Realität in Warschau anerkannt. Damit dürfte die PiS-Regierung ein Stück ihres Außenseiterstatutes in Westeuropa verlieren. Insbesondere bei der Verhandlungen über den zukünftigen Agrarhaushalt dürften Paris und Warschau die gleichen Interessen verfolgen. Auch im Bereich der Energiepolitik könnten im Bereich der Kernkraft neue Kooperationsfelder entstehen. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass sich insbesondere auf der EU-Ebene für Warschau und für Paris neue Handlungsoptionen eröffnen werden.

Für eine dauerhafte strategische Partnerschaft zwischen Warschau und Paris dürften die Gemeinsamkeiten jedoch nicht ausreichen. Vor allem bei einer Vertiefung der EU-Integration, wie sie Macron vorschwebt, dürfte die PiS-Regierung Wiederstand leisten. Denn Warschau ist weder an einer Euro-Einführung, noch an einer EU der mehreren Geschwindigkeiten interessiert. Daher wird es wohl bei begrenzten Kooperationsfeldern bleiben.