Mediengesetz: Was bleibt nach der Panik?

Bereits die Ankündigung der polnischen Regierung, ein neues Mediengesetz auf den Weg zu bringen, hat international für Kritik gesorgt. Die Umsetzung dieses Gesetzes hat nun auch Kritiker aus der EU auf den Plan gerufen, die das Thema auf die Tagesordnung der EU-Kommission bringen und Polen unter „Beobachtung“ stellen wollen. Im Vordergrund der Kritik stehen dabei der Gesamteindruck der neuen polnischen Regierung sowie Befürchtung, Polen könnte sich ähnlich wie Ungarn entwickeln. Doch was ist dran an den Vorwürfen und was kann die EU tun? Selbst Jean-Claude Juncker hält ein Verfahren nach Artikel 7 EUV für unwahrscheinlich. Bei einem Showdown mit der polnischen Regierung könnte die EU nämlich mehr verlieren als sie gewinnen kann.

Witold Waszczykowski und Beata SzydloSchon die Ankündigung eines neuen polnischen Mediengesetzes hat in Deutschland und der EU für lautes Entsetzen gesorgt. Die Befürchtung ist, Polen könnte ein ähnliches Mediengesetz wie Ungarn umsetzten. Als Ungarn 2011 sein Mediengesetz umsetzte, gab es in der EU ebenfalls Stimmen, die die Anwendung des Artikels 7 des Lissabon-Vertrags forderten. Doch nachdem Ungarn einige kosmetische Änderungen durchgeführt und Dialogbereitschaft signalisiert hat, blieb die EU tatenlos.

Durch das neue polnische Mediengesetz werden die öffentlich-rechtlichen Sender in nationale Kulturinstitute umgewandelt, die sich der Vermittlung patriotischer Inhalte widmen sollen. Darüber hinaus behält sich die Regierung vor, die Direktoren der öffentlich-rechtlichen Sender neu zu besetzen und auch wieder abzuberufen. Dawid Jackiewicz, Schatzminister Polens, wird die Aufsicht über die neuen nationalen Kulturinstitute haben.

Als Folge dieses Gesetzes traten mehrere Direktoren der öffentlich-rechtlichen Sender zurück und es kam zu Protesten. Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski verteidigt das Gesetz hingegen, indem er von der Heilung des polnischen Staates von einer Krankheit spricht.

Doch was kann die EU tun?

Das Grundproblem des Einflusses der Politik auf die öffentlich-rechtlichen Sender betrifft alle EU-Mitgliedstaaten. So gehörte dem ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi während seiner Amtszeit ein Medienmonopol. Auch Deutschland wurde 2014 vom Bundesverfassungsgericht dafür kritisiert, dass in den Medienräten der öffentlichen Rundfunkanstalten und Gremien zu viele Parteipolitiker einen Sitz haben und damit zu viel Einfluss ausüben würden.

Zudem fehlt der EU in den Verträgen eine klare Handhabe in Bezug auf die Medienpolitik. Zwar sind die Rechtsvorschriften zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit die Konsequenz einer Debatte, die sich seit 2009 ausweitet, und die auf den Problemen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit einiger Mitgliedstaaten, unter anderem Ungarns, beruht. Doch wird darin nicht explizit auf die Medienrechte eingegangen, sondern nur allgemein von der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit gesprochen. Das Medienrecht unterliegt jedoch den nationalen Kompetenzen.

Entsprechend müsste aus dem polnischen Mediengesetz ein klarer Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit abgeleitet werden. Außerdem braucht es, damit ein Verfahren nach Artikel 7 EUV eingeleitet werden kann, eine Mehrheit von vier Fünfteln im Rat der Europäischen Union und für die Feststellung einer schwerwiegenden Verletzung der Werte die Einstimmigkeit.

Die EU hat viel mehr als Polen zu verlieren

Bereits die vier-Fünftel-Mehrheit im EU-Rat dürfte schwierig zu erreichen sein. Die notwendige Einstimmigkeit im Europäischen Rat würde schon an Ungarn scheitern, dass seit Jahren die gleiche Medienpolitik wie die neue polnische Regierung verfolgt. Wahrscheinlich wäre Ungarn jedoch nicht das einzige Land, das gegen eine Verletzung stimmen würde.

Für die EU würde diese Niederlage aber weitreichende Folgen haben und den innereuropäischen Riss weiter vertiefen. Denn die EU würde weder innen-, noch außenpolitisch als ein kohärenter Akteur wahrgenommen werden, was infolge der aktuellen Krisen fatal wäre. Außerdem ließe sich der innereuropäische Riss nicht mehr verdecken und er würde möglicherweise in einem offenen Konflikt münden, der unabsehbare Folgen hätte.

Auch eine Verurteilung Polens, die schlimmstenfalls mit dem Entzug des Stimmrechst (Atombombe) enden würde, könnte sich schlussendlich zu einem Pyrrhussieg für die EU erweisen, da die gewählte Regierung eines 38 Millionen Volkes aus bestimmten europäischen Abstimmungen ausgeschlossen werden würde.

Aus dieser Betrachtungsweise heraus lässt sich das Entgegenkommen Junckers deuten. Wahrscheinlich wird wie bereits bei Ungarn, ein Kompromiss erzielt, bei dem beide Seiten das Gesicht wahren werden. Möglicherweise wird die polnische Regierung das Mediengesetz geringfügig ergänzen oder die EU wird bei der Überprüfung keine groben Verletzungen feststellen. Ähnlich wie seinerzeit Ungarn, hat Warschau Dialogbereitschaft signalisiert, was auf eine Kompromissbereitschaft schließen lässt.

Bild: Witold Waszczykowski und Beata Szydlo // (cc) KPRM [Public Domain Mark 1.0] / Flickr