Die Opposition schaut der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) intensiv auf die Finger und veröffentlicht eine Liste mit Namen sogenannter „Misiewicze“, also Profiteuren des Regierungswechsels. Die Zustimmung innerhalb der Wählerschaft fällt. Die Polit-Bosse geraten immer mehr in Erklärungsnot.
Fehlende Berufsqualifikationen, enge persönliche Bindung an die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und ein lukrativer Posten in einem Staatsunternehmen – die Oppositionspartei Nowoczesna veröffentlicht eine Liste mit 600 Namen, die genau diese Kriterien erfüllen. Seit dem Wahlsieg im Oktober 2015 beobachtet man eine gestiegene Anzahl von Sprüngen auf die Chefsessel. Es sollen etwa 98 Prozent aller Staatsunternehmen vom „Chef-Wechsel“ betroffen sein . Der Nepotismus wird zum Alltag.
„Misiewicze“
227 dieser Namen sind sogenannte „Misiewicze“. Der Name stammt von Bartlomiej Misiewicz, dem Pressesprecher und Kabinettschef des Verteidigungsministers Antoni Macierewicz. Im Alter von 26 Jahren hat er schon eine beachtliche Karriere hinter sich. Im August wurde er mit der Goldenen Medaille für Verdienste bei der Landesverteidigung belohnt. Dabei musste er nicht, wie das sonst bei alten Veteranen der Fall war, die niedrigeren Klassen durchlaufen. Natürlich stieß die Verleihung auf heftige Kritik, sogar aus den eigenen Reihen.
Als Bartlomiej Misiewicz nun Aufsichtsratsmitglied bei der Polnischen Ausrüstungsgruppe wurde, riss der Geduldsfaden der Oppositionspolitiker. Diese schauten mal genauer hin und stellten fest, dass er nicht die formellen Kriterien erfülle, um diesen Posten zu übernehmen. Es fehle die Absolvierung vorgesehener Kurse für zukünftige Aufsichtsratsmitglieder. Zudem besitze er noch nicht einmal einen Hochschulabschluss oder eine ähnliche Ausbildung. Misiewicz sollte im Aufsichtsrat als direkter Vertreter des Verteidigungsministers auftreten. Schon als Minderjähriger begann Misiewicz seine politische Laufbahn im Büro von Antoni Macierewicz. Auf seiner Internetseite gibt er an, dass er in einer patriotischen und katholischen Familie aufgewachsen sei, wo ihm die Devise „Gott, Ehre und Vaterland“ ans Herz gelegt wurde. Das schien Macierewicz damals sehr zu überzeugen.
Der Unmut wächst
Die Aufregung über die Jagd auf die Chefsessel in den Staatsunternehmen ist groß, mittlerweile nicht nur auf politischer Ebene. Mit der Sache hatte sich ursprünglich die Wochenzeitung „Newsweek Polska“ beschäftigt. Die Partei Nowoczesna betont, dass es sich dabei nicht nur um eine ethisch-moralische Pein handele. Durch solche Methoden verlören die Staatsunternehmen auch an Wert. Bisher soll der Verlust bei sieben Milliarden Zloty (ca. 1,6 Mrd. Euro) liegen, vom Prestigeverlust ganz zu schweigen.
Die Partei Recht und Gerechtigkeit stößt auf wachsenden Widerstand. Die zum Teil extrem konservative Haltung passt nicht ganz zur liberal-freiheitlichen Haltung, welche die Polen in der Geschichte immer schon begleitete. Daran werden auch die schwierigen Anpassungen der letzten 27 Jahre nichts ändern. PiS scheint das vergessen zu haben.
Die Politiker müssten auch unbedingt das Wahlergebnis von 2015 genauer analysieren. Es wurden 15.595.335 Stimmen abgegeben, was zu einer peinlich niedrigen Wahlbeteiligung von 50,92 Prozent führte. Für PiS stimmten 5.711.687 Wähler, also 18 Prozent aller wahlberechtigten Bürger und gerade mal 15 Prozent der polnischen Bevölkerung. Es grenzt also an ein Wunder, dass diese Partei mit einer einfachen Mehrheit regieren darf.
Das heißt aber auch, dass 82 Prozent der Polen die Handlungen dieser kleinen Gruppe kritisch beäugen. Die Olympiade ist vorbei, die Fussball-WM erst in zwei Jahren – jetzt muss also langsam echte Politik gemacht werden.
Bild: Verteidigungsminister Antoni Macierewicz // (cc) Kancelaria Premiera [Public Domain Mark 1.0]