Mit dem Eintritt in die europäische Union verpflichtete sich Polen zur Einführung des Euro – das war 2004. Doch warum bezahlt man in Polen noch immer mit dem Zloty?
Turbulent geht es in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) zu – vor einiger Zeit wäre Griechenland fast Konkurs gegangen und Zypern ist weiterhin in einer nicht absehbaren Krise. Mitunter als wichtige Gründe für die Probleme des Landes werden die enge Verflechtung mit Griechenland, Korruption und Missmanagement sowie die zu geringe Aufsicht über und Regulierung der Banken genannt. Immer ist dabei laut Aussangen führender Politiker und Kommentatoren der Europäische Währungsraum in Gefahr und der Abgrund erscheint oft bedenklich nah.
Doch trotz der bedrohlich wirkenden Lage strebt ein Land die Einführung des Euro als verbindliches Zahlungsmittel an: Polen. Welche Vorteile hat die Gemeinschaftswährung für den östlichen Nachbarn Deutschlands? Und wie realistisch ist eine zeitnahe Einführung?
Beitritt zur Europäischen Union
Mit dem Eintritt in die EWWU 2004 und der Übernahme des Aquis communautaire brach für die noch junge Demokratie Polen ein neues Kapitel in der Geschichte an. Die ehemalige Volksrepublik wurde in den exklusiven Klub der EU-Mitgliedsstaaten aufgenommen. Gleichzeitig verpflichtete sich das Land langfristig zur Einführung des Euro. Doch ist noch immer der Zloty gültiges Zahlungsmittel und einen verbindlichen Termin für den Eintritt in die Eurozone gibt es nicht. Daher werden in Polen die Vor- und Nachteil der Gemeinschaftswährung intensiv diskutiert.
Vor- und Nachteile der Euro-Einführung
Polen würde nach Meinung führender Experten und Politiker mit der Einführung des Euros einen höheren Einfluss auf die Politik Europas erhalten – das ist auch der Grund, warum sich das Land dem Fiskalpakt anschloss. Darüber hinaus wäre der Prestigegewinn für die polnische Regierung sehr groß. Die wirtschaftliche Verflechtung würde voranschreiten und es gäbe kein Währungsrisiko mehr – der Handel innerhalb weiter Teile Europas wäre viel unmittelbarer. Immerhin gingen nach Zahlen des polnischen Hauptstatistikamtes (GUS) 2011 fast 80 Prozent der Exporte in die EU und 54 Prozent in den Europäische Währungsraum, wobei der mit Abstand wichtigste Exportpartner Deutschland ist; 2011 gingen 26,1 Prozent der gesamten Export Polens in das Land (danach folgt Großbritannien mit 6,4 Prozent).
Ein großer Nachteil ist die Krisenanfälligkeit der Eurozone: Einzelne nationale Währungen können nicht mehr zueinander auf- und abgewertet werden, somit fällt ein wichtiger Regelungsmechanismus weg. In Bezug dazu wunderte sich Ende März die Washington Post, warum denn Polen nun den Euro einführen möchte. Laut Artikel habe Polen gerade wegen der Möglichkeit der Abwertung zu anderen Währungen die Krisenzeiten ab 2007 so gut überstanden. Ein weiterer wichtiger Nachteil ist der Verlust der Kontrolle über die eigene Währung, was auch als Souveränitätsverlust bezeichnet werden kann.
Innenpolitische Lage
Die innenpolitische Lage bezüglich des Eintritts in den Euro-Währungsraum ist überaus kompliziert. Die Regierung um Premierminister Donald Tusk (Bürgerplattform, PO) hatte seit der Machtübernahme im Jahr 2007 immer wieder angekündigt, den Euro einzuführen. Zum Beispiel verhandelte Tusk Ende 2008 mit dem damaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet über die Einführung der Währung – durch die Regierung wurde ein Fahrplan verabschiedet, nach dem am 1. Januar 2012 der Euro in Polen als verbindliches Zahlungsmittel eingeführt werden sollte. Innenpolitische Streitigkeiten und die Finanz- und Wirtschaftskrise haben die Einführung des Euro immer wieder verzögert.
Mitte Dezember 2012 meldete sich Roman Kuzniar, ein Berater des polnischen Präsidenten, mit der Aussage zu Wort, dass auf Basis der Berechnungen, die in der Kanzlei des Präsidenten durchgeführt wurden, „der reale Zeitpunkt Polens für den Eintritt in den Euro-Währungsraum der 1. Januar 2016 ist“. Auch solle Polen so schnell wie möglich die neue Währung einführen, da sich die Länder der Eurozone immer weiter abschotten werden, somit ein Beitritt immer schwieriger werde. Premierminister Tusk sagte Ende März 2013, dass mit der Einführung des Euro möglicherweise schon 2015 begonnen werden könne. Tusk hält auch ein Referendum für denkbar.
Große Teile der Opposition im polnischen Parlament (Sejm) sind gegen die Einführung der Gemeinschaftswährung. Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) Jaroslaw Kaczynski sieht in diesem Schritt einen Souveränitätsverlust des Landes. Demnach hat Polen seit dem Eintritt in die Europäische Union einen Großteil der Souveränität abgeben müssen und werde von Staaten wie Deutschland und Frankreich dominiert.
Zeitpunkt der Euro-Einführung
Wann wird nun der Euro in Polen eingeführt? Eine Festlegung auf einen konkreten Zeitpunkt ist kaum möglich. Diese hängt nicht nur von der Erfüllung der Beitrittskriterien ab. Experten sind der Meinung, dass zuerst die polnische Verfassung geändert werden müsse, um eine neue Währung einzuführen. Dazu bedarf es einer Zweidrittelmehrheit im Parlament, die bei den aktuellen Kräfteverhältnissen sehr unwahrscheinlich ist. Auch ein Referendum erscheint äußerst riskant und könnte der Regierung die Legitimationsgrundlage für eine zukünftige Einführung der Gemeinschaftswährung entziehen. Die nächsten Parlamentswahlen sind erste wieder für Herbst 2015 geplant. Und ob der Euro-Währungsraum bis dahin in seiner aktuellen Form bestehen wird? Auch das steht noch in den Sternen.