Polen vor einer politischen Zeitenwende?

Guten Wirtschaftszahlen und außenpolitischer Erfolgen zum Trotz scheint das Glück die PiS-Regierung verlassen zu haben. Seit 2020 überwiegt die Unzufriedenheit mit der PiS-Regierung. Dieser Trend setzt sich laut CBOS auch 2022 fort. Doch kann es für einen Regierungswechsel reichen?

PiS-Logo im polnischen ParlamentIm Herbst 2023 werden die kommenden Parlamentswahlen stattfinden und der Trend ist eindeutig. Gegenüber der Wahl vom September 2019 würde das PiS dominierte Wahlbündnis (KW PiS) aktuell einen Viertel seiner Wählerschaft verlieren und kämme nur noch auf 32 Prozentpunkte. Seit Oktober 2020 sind mehr Menschen mit der Regierung unzufrieden als zufrieden. Das Gleiche gilt sowohl für die Arbeit des Sejms, als auch für die Arbeit des Senats.

PiS-Politiker genießen noch immer großes Vertrauen

Der polnische Präsident Andrzej Duda führt mit 57 Prozentpunkten noch immer das Ranking der vertrauenswürdigsten Politiker an. An zweiter Stelle, mit 44 Prozentpunkten, folgt der Vorsitzende der jungen Partei Polska 2050 (PL2050), Szymon Holownia. An dritter Stelle, mit ebenfalls 44 Prozentpunkten, kommt Warschaus Stadtpräsident (Oberbürgermeister) und PO-Politiker Rafal Trzaskowski. Und auf den fünften Platz, mit 43 Prozentpunkten, kommt der polnische Ministerpräsident und PiS-Politiker Mateusz Morawiecki. Alle weiteren polnischen Politiker und Politikerinnen kommen nicht über 36 Prozentpunkte hinaus.

Die polnische Opposition enttäuscht

Die Vertrauensverluste der PiS haben sehr durchwachsene Folgen auf die polnische Opposition. Das Wahlbündnis Koalicia Obywalteska, dass sich um die PO gebildet hat, würde gegenüber 2019 fast 40 Prozent seiner Wählerschaft verlieren, und würde damit nur noch auf 17 Prozentpunkte kommen. Auf dem dritten Platz würde Holownias PL2050 mit 12 Prozentpunkten kommen. Alle anderen Wahlbündnisse kommen aktuell nicht über vier Prozentpunkte hinaus.

Seit ihrer Abwahl 2014 wirkt die bürgerliche Opposition, vor allem die Platforma Obywaltelska (PO), hilflos. Dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre konnte die PiS vor allem ihre ländlich geprägte Wählerschaft mit finanziellen Zuschüssen überzeugen und den gesellschaftlichen Umbau vorantreiben, der von dieser Wählerschicht auch befürwortet wird. Als Reaktion vereinbarte die PO mit zwei kleineren progressiven Partien den Wahlbündnis Koalicia Obywatelska (Bürgerkoalition), um die PiS-Dominanz zu brechen. Dieses Wahlbündnis erwies sich bisher als kontraproduktiv, doch besteht es bis heute. Diese Art der Wahlbündnisse binden heute die meisten kleinerer Partien Polens ein. Doch scheinen diese die Wähler nicht zu überzeugen.

Um den Abwärtstrend der Bürgerkoalition und damit auch der PO zu stoppen, kehrte der früherer polnische Ministerpräsident und ehemaliger Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk aus Brüssel nach Warschau zurück. Seit Mitte 2021 war Tusk als Vizevorsitzender der PO wieder in der polnischen Innenpolitik aktiv. Ende Oktober 2021 wurde Tusk wieder ihr Vorsitzender. Ende Mai 2022 hat Tusk den Vorsitz der Europäischen Volkspartie (EVP) aufgegeben und will sich seit dem nur noch auf die polnische Innenpolitik konzentrieren. Tusk kann an seine frühere Popularität jedoch nicht anknüpfen. Aktuell kommt er mit nur 30 Prozentpunkten auf den zehnten Platz der vertrauenswürdigsten Politiker. Gleichzeitig misstrauen ihm 54 Prozent der Befragten. Das ist der zweithöchste Negativwert im Ranking, schlechter schneidet nur noch Jaroslaw Kaczynski ab.

Ökonomisch steht Polen noch immer gut da

Seit 2016 steigt das polnische BIP kontinuierliche an. Die Arbeitslosenquote zählt noch immer zu den niedrigste in der EU.

Ursächlich für die schlechten Umfragewerte ist die hohe Inflation. Im Juni 2022 lag sie bei 15,5 Prozentpunkten. Damit hat sie sich gegenüber Juni 2021 mehr als verdreifacht.

Obwohl sowohl die ökonomische, als auch die politische Situation Polens von den Befragten mehrheitlich als schlecht eingeschätzt wird, sagt eine deutliche Mehrheit von 55 Prozent der Befragten, dass es innen selbst und der eigenen Familie gut geht. Nur sieben Prozent der Befragten sagen, ihnen und ihrer Familien würde es schlecht gehen. Auch wird die Lage auf dem Arbeitsmarkt mehrheitlich als gut bewertet. Es sind vor allem die eigenen Zukunftsprognosen, die seit Mitte 2021 immer stärker ins Negative gehen und sich damit auf die Zufriedenheitswerte auswirken.

Bei den Zufriedenheitswerten liegen hingegen die Verbesserung der Lebensbedingung, die Sozialpolitik und die gute Situation der Rentner an den ersten drei Stellen. Vor allem die PiS-Wählerschaft bezeichnet die ökonomische Situation Polens als gut. Sie ist auch mit der Arbeit des Sejms, des Senats und des Präsidenten überwiegend zufrieden. Diese zeigt, dass ein großer Teil der PiS-Wählerschaft mit der Entwicklung Polens zufrieden ist.

Die gleichzeitige Unzufriedenheit mit der Arbeit der Regierung und den Verlusten der bürgerlichen Opposition zeigen, dass die große Mehrheit der Polen der bürgerlichen Koalition eine bessere Politik nicht zutraut.

Bleibt alles beim Alten? – Die kleinen Parteien werden entscheiden

Die Möglichkeit eines politischen Wechsels erscheint daher noch als unwahrscheinlich. Zwar können 25 Prozent der Befragten noch nicht sagen, welch Partei sie 2023 wählen werden, doch ist es höchst unwahrscheinlich, dass sie in größerer Zahl zur PO gegen würden. Viele mehr dürften sich in dieser Gruppe die enttäuschte PiS-Wählerschaft wiederspiegeln. Das Zünglein an der Waage könnte auf den ersten Blick die junge Partei PL2050 werden. Doch ist sie zu großen Teilen aus der Bürgerkoalition entstanden. Daher ist eine Koalition der beiden Partien höchst Wahrscheinlich, doch würden damit größere Verschiebungen innerhalb der bisherigen bürgerlichen Opposition verbleiben.

Vielmehr wird es 2023 auf die kleinen Wahlbündnisse und deren Kleinstparteien, sowie die Mobilisierung der eigenen Wählerschaft ankommen. Vor allem bei der eigenen Mobilisierung war die PiS in der Vergangenheit besonders erfolgreich. Darüber hinaus sollte die PiS innenpolitisch von ihrer Ukrainepolitik profitieren, daher ist es sehr wahrscheinlich, dass es zu einem weiteren Wahlsieg 2003 reichen könnte. Für die bürgerliche Opposition stellt hingegen die gegenseitige Kannibalisierung und weitere Fragmentierung eine große Gefahr dar.