Polizisten aus kranken Familien?

Für einigen Wirbel sorgte ein Interview mit Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz (Bürgerplattform, PO) in der Gazeta Wyborcza. Die Autoren umschreiben dort eine Äußerung des Ministers zum Thema Gewalt in Fußballstadien. Sienkiewicz soll sich dahingehend geäußert haben, dass dies eine schwierige Aufgabe sei, genauso wie die Bewältigung des Mentalitätswandels bei Polizisten, die oftmals selbst aus „pathologischen Familien“ stammten und daher nicht richtig auf Gewalt reagierten. Prompt antwortete die Polizeigewerkschaft und warf Sienkiewicz vor, eine „unzulässige und verletzende Verallgemeinernug“ geäußert zu haben. Die Polizisten drohten gar mit einer Verleumdungsklage gegen den Politiker.

Sienkiewicz verteidigte sich in einem offenen Brief, seine Äußerung sei so nicht gefallen, sondern aus dem Kontext gerissen. Er habe über häusliche Gewalt allgemein gesprochen, die sich durch alle sozialen Schichten ziehe – auch Polizisten seien hier nicht immun. Daher solle ihnen ein spezieller Leitfaden helfen, in schwierigen Situationen richtig zu entscheiden. Ob die Richtigstellung die Gemüter der Polizei beruhigen kann, wird sich zeigen. Der politische Gegner ging dagegen gleich in die Offensive: Oppositionspolitiker forderten den Rücktritt des erst vor kurzem ernannten Ministers.

Polizei in der Kritik

Wahrscheinlich wird die Aufregung schnell verflogen sein. Eine ernsthafte Diskussion über Missstände bei der polnischen Polizei scheint nicht zu erfolgen. Immer wieder werden Fälle von übertriebener Härte bei Festnahmen oder falscher Vorgehensweise laut. Zuletzt hatte ein Fall Schlagzeilen gemacht, bei dem Juwelendiebe von der Polizei schwer misshandelt worden waren – einer der Gefangenen beging Selbstmord. Auch Unschuldige wurden schon Opfer: 2010 endete die Hanfparade in Warschau in einer wüsten Schlägerei, mehrere Demonstranten wurden niedergeknüppelt und verhaftet; auch 2013 griff die Polizei hart durch. 2012 irrten sich Antiterrorspezialisten im Stockwerk und fügten Unbeteiligten schwere Körperverletzungen und Sachschäden an der Wohnungseinrichtung zu.

Die Probleme bei der polnischen Polizei, die sich in mangelnder Ausbildung, Rassismus und schweren Übergriffen äußern, stellen weiterhin ein großes Aufgabengebiet für das Innenministerium dar. Selbst der Europarat und die Helsinki-Stiftung für Menschenrechte haben mehrere Vorfälle von Folter und Gewalt in polnischem Polizeigewahrsam gerügt. Bisher haben sich jedoch alle Politiker einer Diskussion darüber entzogen.




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