Polnisch-ukrainische Geschichte als Grundlage des polnischen Engagements

Als die polnische Premierministerin Ewa Kopacz die Ukraine besuchte, setzte sie mit ihrem Besuch die Kontinuität in den engen polnisch-ukrainischen Beziehungen fort, die länger als bis zum Zerfall des Ostblocks zurückreichen. Polens Verhältnis zu seinem ukrainischen Nachbarn sind nicht so stark vorbelastet wie zu Deutschland oder Russland, da man die Ukraine nie als Bedrohung der eigenen Existenz betrachtete und über Jahrzehnte immer wieder das gleiche Schicksal der Besatzung und der politischen Fremdbestimmung teilte. Seit dem Zerfall des Ostblocks sieht sich Polen als Vorbild und Mentor seines östlichen Nachbarn.  

Polnische FlaggePolens starkes Engagement in der Ukraine resultiert nicht nur aus der direkten Nachbarschaft, sondern auch aus der gemeinsamen, zum Teil blutigen Geschichte. Das Schicksal Polens und der Ukraine ist seit Jahrhunderten eng miteinander verknüpft. Beide Staaten wurden oft zum Spielball der Großmächte in ihrer Nachbarschaft.

Historisch betrachtet war der Kosakenstaat von 1648 der erste Versuch einer ukrainischen Staatlichkeit, obwohl sich die Ukraine und Russland in ihrer Abstammung auf den Kiewer Rus beziehen. Dieses Staatsgebilde, das sich westlich und östlich des Dnjepr erstreckte, wurde bereits 1654 zwischen dem polnischen Königreich und dem zaristischen Russland aufgeteilt. Mit dieser Teilung begann die kulturelle Spaltung der Ukraine, die bis heute andauert. Nach den drei Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795 wurde auch der westliche Teil der Ukraine, bis auf Ost-Galizien (mit Lemberg und Czernowitz), das an das Habsburgerreich fiel, an Russland angegliedert. Russland betrieb die Russifizierung der ukrainischen Gebiete, indem es sie mit Russen besiedelte und zahlreiche Städte gründete (Sewastopol, Simferopol, Odessa).

Das gemeinsame Schicksal zwischen den Großmächten und die Wiederauferstehung nach dem Ersten Weltkrieg

Polen und die Ukraine verschwanden als souveräne Staaten bis zum Ende des Ersten Weltkriegs von der Landkarte. Infolge der Niederlage des zaristischen Russlands gegen das Deutsche Reich wurden der polnische Nationalstaat als Zweite Republik (1918-1939) und die geteilte Ukraine als Ukrainische Volksrepublik und als Westukrainische Volksrepublik gegründet.

Mit dem Sieg der Bolschewiki in Russland und in der östlichen Ukraine wurden die beiden Teilstaaten als Ukrainische Sozialistische Volksrepublik vereinigt, wobei Teile der Westukraine (Lemberg, Tarnopol) infolge des Polnisch-Sowjetischen Krieges (1919-1921) im Frieden von Riga an Polen gingen. Polen versuchte wiederum selbst erfolgslos diese Gebiete, vor allem Lemberg, zu Polnifizieren. Ende 1945 wurden diese Gebiete durch die Westverschiebung Polens wieder an die Ukraine angegliedert. Von 1922 an wurde die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik bis 1991 Teil der Sowjetunion.

Der Fall des Eisernen Vorhanges als Chance für ein gemeinsames Miteinander

Mit dem Zerfall des Ostblocks und der Auflösung der Sowjetunion wurden beide Staaten unabhängig. Während Polen (Dritte Polnische Republik) eine zügige Westintegration, NATO- und EU-Integration betrieb, gründete die Ukraine mit Russland und Weißrussland die GUS. Dieser Anbindung zum Trotz orientierte sich die Ukraine auch in Richtung Westen, wobei diese vor allem durch die ukrainischen Eliten (Präsident Kutschma) vorangetrieben wurde.

Für Polen wurde die Westintegration der Ukraine seit den 1990er Jahren zu einem zentralen Punkt der polnischen Außenpolitik, um vor allem Russlands Einfluss in Osteuropa einzudämmen. Entsprechend unterstützen die polnischen Eliten die proeuropäischen Kräfte in der Ukraine und agieren als Anwalt ukrainischer Interessen innerhalb der westlichen Strukturen, so wie es zuvor Deutschland für Polen getan hat.

Die historische Betrachtung der polnisch-ukrainischen Beziehungen zeigt, dass sich das polnische Engagement vor allem auf die gemeinsame Geschichte der Gebiete westlich des Dnjeprs begründet, da diese über die Jahrhunderte eine westliche Prägung erfuhren. Gleichzeitig wird klar, dass die Ukraine östlich des Dnjeprs eine andere, russische Prägung erfuhr und damit andere politische und gesellschaftliche Prioritäten hat. Dies zeigt sich vor allem in den Befragungen zum zukünftigen Kurs der Ukraine (KIIS) und macht eine Lösung der aktuellen Krise schwierig.

Bild: Polnische Flagge // (cc) Lukas Plewnia – polen-heute.de [CC BY 2.0] / Flickr