Jetzt scheint es doch noch größere Regungen in der Zivilgesellschaft zu geben. Die polnischen Lehrer haben am 8. April mit ihrem polenweiten Streik begonnen. Am gestrigen Abend fanden Gespräche der letzten Hoffnung mit Vize-Premierministerin Beata Szydlo statt, die jedoch im Sande verliefen.
Niedrige Löhne bei Angestellten der öffentlichen Hand
Diese Jobs sind, wenn man sich das Aufgabengebiet ansieht, schon sehr schwierig. Denn Lehrer, Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, Ärzte oder Finanzsachbearbeiter führen Tätigkeiten aus, die großes Fachwissen und langjährige Ausbildung benötigen. Zudem sind sie physisch und psychisch sehr anspruchsvoll. Den außenstehenden Betrachter könnte es daher wundern, dass genau diese Berufe in Polen zu den am schlechtesten bezahlten zählen.
Aus persönlichen Erfahrungen weiß ich, dass zum Beispiel eine Germanistiklehrerin in einem deutschsprachigen Inbound Callcenter in Warschau als Telefonsupport das Doppelte von dem verdient, was sie in ihrem regulären Beruf hätte. Die Einarbeitungszeit beträgt im Callcenter rund 2 Wochen. Das ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie schief die Einkommensverhältnisse in Land östliche von Deutschland sind.
Und trotz der niedrigen Einkommen haben staatliche Professionen einen schlechten Ruf. Es wird oftmals von überbezahlten Beamten und hohen Prämien berichtet. Dabei haben zum Beispiel Sejm-Abgeordnete (das Äquivalent zum Bundestagsabgeordneten) rund 3‘000 EUR im Monat als Diäten. Im Vergleich sind Löhnen im privaten Sektor, auch in Polen, viel höher. Darüber hinaus muss man die hohen Lebenshaltungskosten beachten, die an die in Deutschland heranreichen.
Die Lehrer wollen mehr Geld
Nun kämpfen die Lehrer für deutlich höhere Löhne. Und die Regierung scheint kurz vor den Wahlen zu Zugeständnissen bereit. So schlug Beata Szydlo, Vizepremierministerin, eine Anhebung der Löhne um 15% vor.
Doch die die Seiten scheinen eher zu verhärten. In der Diskussion ist ein verschärfter Streik, der die Besetzung von Schulen beinhalten würde. Die Forderung de Lehrer ist eine Einkommenserhöhung um 30%. Diese solle auf drei Jahre verteilt werden, so ein Vertreter der Lehrergewerkschaft ZNP. Dieses habe die Regierung jedoch ohne Diskussion abgelehnt.
Konfrontation der politischen Lager
Klar geht es bei dem Arbeitskampf ums Geld. Aber hier stehen sich auch zwei ideologische Lager gegenüber. Auf der einen Seite ist die nationalkonservative Regierung um Parteivorsitzenden Jaroslaw Kaczynski (Recht und Gerechtigkeit, PiS). Auf der anderen Seite steht die Lehrergewerkschaft ZNP, die sich zum sozialliberalen Teil der Gesellschaft zählt, der durch die Bürgerplattform (PO) und die Linke (SLD) vertreten wird.
Den Grundstein für diesen Konflikt begründete eine tiefe Spaltung der Solidarnosc, die nach 1989 begann und um 2001 einen Höhepunkt mit der Gründung von PiS und PO hatte. Damit ist der Boden für einen veritablen Konflikt begründet, der wohl noch länger die polnische Öffentlichkeit beschäftigen wird. Schulbesetzungen und Hungerstreiks sind möglich. Es bleibt also spannend.