Premier Tusk: Beschuss von allen Seiten

Seit der gestrigen Sitzung des polnischen Parlamentes steht Premier Tusk unter Beschuss. Die Vorwürfe wiegen schwer: Das Parlament verkomme zur Farce, die Meinung von Präsident Komorowski werde nicht genügend beachtet und Tusk interessiere sich nicht für eine millionenschwere Korruptionsaffäre.

Kaum neigen sich die Sommerferien in Polen dem Ende zu, beginnt auch schon das politische Warschau auf vollen Touren zu laufen. Gestern stellten Premierminister Donald Tusk (Bürgerplattform, PO) und seine Minister den Kurs für das letzte Jahr vor den Parlamentswahlen vor, die wahrscheinlich im Herbst 2015 stattfinden werden.

Kurz darauf ergossen sich Kübel voller Kritik auf den polnischen Regierungschef. Die Opposition warf Tusk geschlossen vor, er lasse den Parlamentarismus zu einer Farce verkommen. Grund dafür? Premier samt Minister erhielten Stunden voller Redezeit, in denen sie ausführlich ihre Politikrezepte vorstellen konnten. Die Oppositionsparteien hingegen durften nur jeweils zehn Minuten reden. Ferner seien die Vorschläge der Regierung nicht im Vorfeld bekannt gegeben worden. Daher habe man keine Möglichkeit der inhaltlichen Vorbereitung erhalten, so einige Oppositionsmitglieder gegenüber der Presse.

Heute nun soll es zwischen dem polnischen Präsidenten Bronislaw Komorowski und Tusk geknirscht haben, so melden es zumindest einige Medien. Dabei geht es um Tusks Ankündigung, die Ausgaben für Armee und Waffen nicht anheben zu wollen. Erst kürzlich versprach Komorowski in Anwesenheit des amerikanischen Präsidenten Barack Obama, der übergreifend in Polen große Autorität genießt, der polnische Wehretat werde auf zwei Prozent des BIP angehoben. Nun sei Komorowskis Autorität in Gefahr, so Medienvertreter, da mit der verweigerten Anhebung sein Einfluss auf den nächste Woche stattfindenden NATO-Gipfel in Newport/Wales schrumpfen werde.

Als nächstes geriet Tusk wegen einer mutmaßlichen Korruptionsaffäre in der polnischen Sozialversicherungsanstalt (ZUS) in die Schusslinie. Hierbei soll es um die Vergabe von Aufträgen in Höhe von ca. 250 Millionen Euro gehen, bei denen ein privates Unternehmen begünstigt worden sein soll. Schon im März wurden Ergebnisse eine Kontrolle der Sozialversicherungsanstalt durch die Kanzlei des Premierministers (vergleichbar mit dem Bundeskanzleramt) erwartet. Bisher interessiere sich Tusk jedoch nicht für das Thema, so einige Oppositionspolitiker.

Als sei das noch nicht genug, lauert im Hintergrund noch immer die nicht bewältigte Abhöraffäre. Wird Tusk bis in den nächsten Herbst durchstehen?