Recht auf Abtreibung wieder auf dem Prüfstand

Das polnische Parlament debattiert heute erneut über den Schwangerschaftsabbruch. Polen hat bereits eines der schärfsten Abtreibungsgesetze weltweit, doch manchen geht das nicht weit genug. Die Bürgerinitiative „Abtreibungsstopp“ hat über 400.000 Unterschriften gesammelt, sodass sich die Sejmabgeordneten in erster Lesung mit deren Forderungen befassen müssen.

Bisher ist in Polen der Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche unter drei Bedingungen möglich: die Schwangerschaft bedroht das Leben oder die Gesundheit der Mutter, die Schwangerschaft ist das Resultat einer Gewalttat oder das Kind wird höchstwahrscheinlich schwerkrank oder behindert sein. Die Bürgerinitiative möchte nun, dass die Abtreibung im letzten Fall auch verboten wird. Sie spricht sich gegen die nach ihrer Sicht „eugenische Abtreibung“ aus. Vertreter der Initiative warben mit Bildern und Geschichten von glücklichen Kindern mit Down-Syndrom für ihr Projekt. Dagegen sprachen sich Frauenorganisationen für das verbriefte Recht der Frau auf Entscheidungsfreiheit aus.

Viele illegale Abtreibungen

Die rechtsklerikalen Oppositionsparteien Recht und Gerechtigkeit (PiS) und Solidarisches Polen (SP) unterstützen die Initiative. SP hatte erst vor einigen Monaten einen eigenen Gesetzesentwurf vorgestellt, der die Abtreibungsgesetze verschärften sollte. Das Papier hatte die Regierungspartei Bürgerplattform (PO) auf eine harte Probe gestellt. Auch diesmal ist nicht sicher, wie sich der konservative Parteiflügel nach dem Abgang einiger prominenter Mitglieder verhalten wird. Ministerpräsident Donald Tusk ließ verlauten, er werde nicht auf die Fraktionsdisziplin pochen. Die Abstimmung ist für morgen angesetzt. Die Bürgerplattform, die Palikot-Bewegung (RP) und der Bund der Demokratischen Linken (SLD) wollen die Initiative ablehnen.

Die harte Abtreibungsgesetzgebung – ein Kompromiss aus dem Jahre 1993 – ist für viele Polinnen ein Problem, zumal sich viele Ärzte sogar dann weigern einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, wenn es gesetzlich erlaubt wäre. Die Anzahl der legalen Abtreibungen steigt an, 2011 sollen es knapp 700 gewesen sein – doch dies spiegelt die Realität wohl nicht einmal annähernd wieder. Viele Abtreibungen werden illegal oder im Ausland durchgeführt und tauchen nicht in den Statistiken auf. Schätzungen liegen bei über 100.000 Schwangerschaftsabbrüchen in Polen jährlich.