Das von Präsident Bronislaw Komorowski angekündigte Referendum wird am 06. September 2015 stattfinden. Die Polen werden dann über das Mehrheitswahlrecht und ein Ende der staatlichen Parteienfinanzierung abstimmen. Dies könnte enorme Auswirkungen auf das Parteiensystem haben.
Das von Präsident Bronislaw Komorowski angekündigte Referendum wird am 06. September 2015 stattfinden. Dies hat das scheidende Staatsoberhaupt heute per Unterschrift besiegelt. Die Polen sollen darüber abstimmen können, ob sie für die Einführung des Mehrheitswahlrechts bei der Parlamentswahl sind. Dann würde nur noch ein Kandidat pro Wahlbezirk ins Parlament einziehen. Eine Verhältniswahl, nach der die Parteien anteilig ihrer Stimmengewinne Sitze im Parlament erhalten, würde entfallen.
Die Einführung dieser Ein-Mandat-Wahlkreise (im Polnischen JOW abgekürzt) war eine zentrale Forderung des rechten Musikers Pawel Kukiz, der in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl überraschend knapp 20 Prozent der Stimmen erzielte. Um diese Stimmen abzugreifen, hatte Komorowski Kukiz‘ Forderung übernommen und eine Volksabstimmung angekündigt. Und obwohl Komorowski die zweite Runde der Wahlen verloren hat, wird das Referendum trotzdem durchgeführt. Der Präsident rief daher heute alle Polen zur Abstimmung auf und appellierte an die Parteien, nicht auf ein Scheitern des Referendums durch zu niedrige Wahlbeteiligung zu setzen. Stattdessen solle eine Debatte über das Referendum in Gang gebracht werden.
Prognose für das Parteiensystem nicht absehbar
Neben der Frage nach dem Mehrheitswahlrecht werden die Polen auch über ein Ende der jetzigen Parteienfinanzierung aus der Staatskasse befinden können. Zudem sollen sie entscheiden, ob für die Finanzämter die Regel „im Zweifel für den Steuerzahler“ eingeführt werden soll.
Kritiker befürchten, dass die ziemlich plötzlich herbeigeführte Volksabstimmung dramatische Änderungen für das politische System in Polen bedeuten könnten. Tatsächlich sind die möglichen Auswirkungen noch nicht absehbar, dürfen aber nicht unterschätzt werden. Die Abschaffung des Verhältniswahlrechts trifft zumeist kleinere Parteien. Möglicherweise würde Polen dann noch stärker auf ein Zweiparteiensystem amerikanischen oder großbritannischen Typus zusteuern. Die Abschaffung der Parteienfinanzierung durch den Staat wiederum würde die Parteien rund 55 Millionen Zloty (ca. 13 Mio. Euro) kosten. Das könnte ebenfalls die kleineren Parteien mit wenigen Mitgliedern und ohne große Spender treffen. Fraglich ist, ob diese Änderungen einen positiven Effekt auf die Demokratie und das sowieso labile Parteiensystem in Polen hätten. Doch populär sind die Forderungen auf jeden Fall. Wenn man Umfragen glauben will, spricht sich die Mehrheit der Polen für das Mehrheitswahlrecht und für ein Ende der Parteienfinanzierung aus.