Reform der polnischen Rente

Gestern verkündete Premierminister Donald Tusk (Bürgerplattform, PO) auf einer Pressekonferenz einschneidende Änderungen im polnischen Rentensystem. Demnach sollen die Beiträge aus der kapitalgedeckten obligatorischen Säule des Systems (Offene Pensionsfonds, OFE) gänzlich vom Staat zurückgekauft werden und als Rentenanwartschaften im staatlichen System (Sozialversicherungsanstalt, ZUS) verzeichnet werden. Darüber hinaus wird der Beitragszahler ab 2014 wählen können, ob er einen bestimmten Teil des Beitragssatzes in die zweite Säule investieren will, oder ob dieser gänzlich im staatlichen System verbleiben soll.

Aktuell beträgt der Beitragssatz im Rentensystem 19,52 Prozent auf den Lohn; davon gehen 16,72 Prozent in das staatliche System und 2,8 Prozent in die Offenen Pensionsfonds. Ab 2014 wird der Versicherte eine dreimonatige Bedenkzeit haben, in der er wählen kann, ob 2,92 Prozent des Beitragssatzes in die OFE gehen sollen. Sollte keine Entscheidung getroffen werden, werden die Beiträge automatisch ins staatliche System abgeführt. Zehn Jahr vor der Auszahlung der Rente werden dann die OFE-Einlagen sukzessive in das staatlichen System überführt.

Für und Wider der Reform

Der Regierungschef begründet die Reform mit dem niedrigem Erfolg des privaten Systems. Berechnungen hätten gezeigt, dass die gleichen Beiträge anstatt im privaten im staatlichen System angelegt in den letzten 13 Jahren seit Einführung des neuen Systems zu höheren Renten geführt hätten.

Auch werde dadurch der Staatshaushalt massiv entlastet, denn durch die Abführung eines Teils der Beiträge in das private System fehlten im staatlichen Umlagesystem (die Beiträge kommen rein und werden nahezu sofort an Rentner ausbezahlt) Mittel. Diese würden dann als Staatsanleihen von den Rentenfonds gekauft, was im Prinzip nur ein Umleiten der Versicherungsbeiträge und ein Zwischenschalten einer weiteren Instanz sei. Aufgrund dessen sei im Laufe der Jahre die Staatsverschuldung massiv angestiegen.

Ferner dürfe der Bürger laut Tusk nicht gezwungen werden, seine Rentenbeiträge in eine Art Glückspiel zu investieren, also in Aktien. Und auch die Auszahlungssicherheit der Rente sei genauso stark, wie die im privaten System. Denn sie sei gesetzlich geregelt – und sollte der Staat pleitegehen, würden Staatsanleihen genauso unsicher sein wie gesetzliche Ansprüche im staatlichen System.

Gegner der Reformen, überwiegend Lobbyisten der Finanzwirtschaft und neoliberale Wirtschaftswissenschaftler, sprechen von einer „Marginalisierung der OFE“. Dieser Trend werde zu unsicheren Renten führen; ferner wird auf angenommene negative Auswirkungen auf die Finanzmärkte hingewiesen. Darüber hinaus agiere der Staat nicht aus Sorge um die Rente der Bürger, sondern aus Eigeninteresse, also in Sorge um den Staatshauhalt.

Aktueller Reformprozess

Die Rente ist seit der kompletten Umstrukturierung 1999 einem stetigen Reformprozess unterworfen. Die aktuelle Reform ist spätestens im April 2013 ins Gespräch gekommen. Damals wollte ein Versicherer OFE-Renten aus der zweiten Säule nur für zehn Jahre auszahlen. Anfang Juli 2013 hat die Regierung konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt und eine zweimonatige Beratungszeit unter Einbeziehung von Experten aus diesem Bereich angekündigt.