Polen müssen länger arbeiten, darauf hat sich die Regierungskoalition geeinigt. CIA-Gefängnisse in Polen – diese Vermutung wird immer wahrscheinlicher. Und die Flugzeugkatastrophe von Smolensk ist andauernder Grund für politische Auseinandersetzungen.
Rentenkompromiss
Allerhand ist in den letzten Tagen in der polnischen Politik passiert. Das wichtigste zuerst: die Regierungskoalition ist nicht geplatzt, es gibt keine Neuwahlen und auch keine Regierungsumbildung. Premierminister Donald Tusk und Vizepremierminster Waldemar Pawlak haben nach langem Ringen einen Rentenkompromiss ausgehandelt – Donnerstag dieser Woche kam die lange erwartete Pressekonferenz, auf der beide die neuen Lösungen vorstellten. Demnach soll die Anhebung des Rentenalters wie geplant durchgeführt werden. Männer müssen dann ab 2020 und Frauen ab 2040 mit 67 Jahren in Rente gehen. In erster Linie ist bei den Verhandlungen Pawlak eingeknickt: Wäre die Regierung auseinandergebrochen, hätte das überwiegend für seine Bauernpartei (PSL) verheerende Folgen. Damit aber Pawlak das Gesicht wahren konnte, machte Tusk einige Zugeständnisse in Bezug auf Übergangsrenten. In Zukunft wird eine Teilrente für Frauen ab 62 Jahren und für Männer ab 65 Jahren möglich sein, wenn die Lebensarbeitszeit von 40 Jahren für Männer und 35 Jahren für Frauen erreicht wird. Die Übergangsrente wird dann mit der Hälfte des angesammelten Rentenkapitals aus der ersten und zweiten Säule berechnet – mit 67 Jahren wird dann die volle Rente ausgezahlt. Tusk teilte mit, dass die Teilrente neutral in Bezug auf den Staatshaushalt sei, da sie aus dem angesammelten Rentenkapital berechnet würden und in der Folge die reguläre Rente niedriger ausfiele. Der Logik folgend ist auch die Anhebung des Rentenalters in Bezug auf den Staatshaushalt neutral, da die lebenslange Leibrente in jedem Fall aus dem angesammelten Rentenkapital berechnet wird, ob der Rentner mit 62, 65 oder 67 Jahren in Rente geht. Nach der Einigung in der Regierung wird die von der Gewerkschaft Solidarnosc geforderte Volksabstimmung über das Rentenalter wohl im Sejm keine Mehrheit finden.
CIA-Gefängnisse
Nun scheint es amtlich bestätigt: Die Existenz von CIA-Flügen und CIA-Gefängnissen in Polen kann als sehr wahrscheinlich angenommen werden. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York begann der Kampf gegen den Terror. In der Folge sollen durch die CIA aus verschiedenen Staaten Menschen entführt worden sein, um dann in geheimen Gefängnissen gefoltert zu werden – in Deutschland hat der Fall Kurnaz Prominenz erlangt. Was also auch viele in Polen schon ahnten, hat die Staatsanwaltschaft in Krakau durch die Anklage gegen den ehemaligen Chef des polnischen Auslandsgeheimdienstes (AW), Zbigniew Siemiatkowski, bestätigt. Zwar gilt vor der Verurteilung die Unschuldsvermutung, doch wiegen die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft schwer. Eine der auflagenstärksten überregionalen Zeitungen, Gazeta Wyborcza (GW), berichtete Anfang dieser Woche, dass Siemiatkowski vorgeworfen wird, sich in den Jahren 2002 bis 2003 an der Organisation der geheimen Gefängnisse der CIA auf polnischem Boden beteiligt zu haben. Die Staatsanwaltschaft bestätigt die Anklage als solche, will jedoch keine weiteren Auskünfte geben. Auch Siemiatkowski gibt an, aufgrund der nationalen Sicherheit nichts sagen zu wollen. Der gesamte Prozess unterliegt der Geheimhaltung.
Parteiübergreifend sind sich führende polnische Politiker einig, dass Folter und geheime Gefängnisse auf polnischem Territorium nicht hingenommen werden können. Sollte es hierzu Zweifel geben, so sollten diese geklärt werden. Es herrscht aber auch Einigkeit darüber, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Darüber hinaus solle man das Thema nicht weiter verfolgen, da man damit Polen der Gefahr von terroristischen Anschlägen aussetze. Und selbst wenn es Folter und Gefängnisse gegeben habe, dann währen die Amerikaner dafür verantwortlich zu machen und nicht die polnische Politik. Aus diesem Meinungsbild brechen lediglich die führenden Politiker der Palikot-Bewegung (RP) aus, die mögliche Menschenrechtsverletzungen in Polen aufs schärfste kritisieren. In den nächsten Monaten wird dieses Thema nicht nur einmal die polnische Öffentlichkeit bewegen.
Smolensk
Und als drittes und letztes Thema: Es schwingt mit in jedem Diskurs zwischen Recht und Gerechtigkeit (PiS) und Solidarisches Polen (SP) und den übrigen Parteien: Smolensk. Am 10. April 2010 ist die Maschine des damaligen Präsidenten Lech Kaczynski beim Landeanflug auf den Flughafen in Smolensk abgestürzt. Insgesamt starben 96 Personen, darunter viele bekannte Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft. Höchstwahrscheinlich führten dichter Nebel und menschliches Versagen zur Katastrophe. Zwillingsbruder von Lech Kaczynski und Anführer der größten Oppositionspartei im polnischen Parlament (PiS) Jaroslaw Kaczynski hält den Flugzeugabsturz indes für einen terroristischen Anschlag und Folge einer Verschwörung. Aus den Kreisen um Kaczynski und den klerikalen Sender Radio Maryja kursieren die kuriosesten Verschwörungstheorien dazu. Zum Beispiel soll der Nebel in Smolensk künstlich hergestellt worden sein und die Präsidentenmaschine soll keineswegs im Landeanflug gewesen sein – den Absturz verursachte angeblich eine thermodynamische Rakete, von einem terroristischen Anschlag kann also ausgegangen werden.
Diese Theorien sind nicht nur tief verwurzelt in diesen Kreisen, sie werden auch fast täglich zum Gegenstand politischer Diskussionen. Diese Woche Mittwoch überzeugte Marta Kaczynska, die Tochter des beim Flugzeugunglück verstorbenen polnischen Präsidenten, bei einer öffentlichen Anhörung im Europaparlament die Abgeordneten und die Öffentlichkeit davon, dass eine internationale Kommission eingesetzt werden sollte, die das Unglück aufklären soll. Jaroslaw Kaczynski wurde live aus Polen zugeschaltet. Er wies darauf hin, dass es sich um einen Anschlag handeln könnte. Was daraus folgt? Mit Smolensk wird weiter Politik gemacht werden.