Wenig überraschend muss sich Polen keinen neuen Verkehrsminister suchen, Slawomir Nowak (Bürgerplattform, PO) überstand heute das Misstrauensvotum gegen ihn. Zwar stimmten sogar drei Abgeordnete des Koalitionspartners Bauernpartei (PSL) gegen ihn, doch die erforderliche Mehrheit für den Antrag wurde nicht erreicht.
Daher war heute auch ein anderes Thema tonangebend in den polnischen Medien: Gazprom und die Gasleitungen in den Westen. Bereits gestern Abend erreichte Polen die Nachricht, dass es in St. Petersburg zwischen dem russischen Energiekonzern und der EuRoPol Gaz zur Unterschrift eines gemeinsamen Memorandums gekommen sei. Die EuRoPol Gaz ist ein Konsortium, das zur Hälfte jeweils in Besitz von Gazprom und der Polnischen Erdölbergbau und Gas Aktiengesellschaft (PGNiG) ist. Die PGNiG befindet sich wiederum größtenteils in Staatsbesitz. In dem Memorandum kommen die Unterzeichner überein, die Möglichkeit für den Bau einer zweiten Gaspipeline durch Polen auszuloten. Genau wie die bereits bestehende Pipeline Jamal soll Jamal II Erdgas von Russland durch Belarus nach Polen, dann aber weiter in die Slowakei und nach Ungarn leiten.
Polen sind überrascht
Von dieser Neuigkeiten zeigten sich alle Politiker in Polen sehr überrascht: Ministerpräsident Tusk wollte die Angelegenheit nicht kommentieren, sondern sich erst eingehend informieren. Grundsätzlich sei es aber im Interesse Polens, die Quellen des Gasimports zu diversifizieren und nicht den Import aus Russland zu erhöhen. Vizepremier und Wirtschaftsminister Janusz Piechocinski, der über die von Gazprom initiierten Verhandlungen informiert war, hatte seine Kollegen und den Premier offensichtlich nicht über das brisante Dokument informiert.
Die rechtsklerikale und russlandkritische Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ist von dem Vorstoß wenig angetan. In die Kritik geriet besonders der Minister für den Staatsschatz Mikolaj Budzanowski, in dessen Ressort die Aufsicht über EuRoPol Gaz fällt, und der noch am Donnerstag im Schatzausschuss erklärte, es gäbe keine Pläne für den Bau einer zweiten Jamal-Pipeline. PiS fordert, dass Ministerpräsident Tusk in der nächsten parlamentarischen Sitzungswoche die Meinung der Regierung zu dem Projekt darstellen solle. Gleichzeitig kündigte die Partei schon einen Misstrauensantrag gegen Minister Budzanowski an, der ihrer Meinung nach keine Kontrolle über die Vorgänge in seinem Geschäftsbereich habe.
Warum eine zweite Pipeline?
Derweil gibt es wenig Details über die neue Pipeline. EuRoPol Gaz weist darauf hin, dass das Memorandum weder rechtlich bindend sei, noch den Bau einer Gaspipeline in Auftrag gebe, sondern lediglich dazu diene, erste Erkundigungen über die Wirtschaftlichkeit des Projektes einzuholen. Gazprom stellt derweil die möglichen Vorzüge für Polen in den Vordergrund: höhere Gewinne durch Transitgebühren.
Der Bau der Pipeline in Polen soll rund 2,5 Mrd. US-Dollar kosten; er beruht auf Plänen, die bereits 1993 zwischen Russland und Polen beschlossen wurden. Jamal I wurde 1999 fertiggestellt und liefert heute Gas durch Polen nach Deutschland. Jamal II hätte 2001, später 2010, fertiggestellt werden sollen, doch Gazprom hat sich aus dem Projekt zurückgezogen und andere Vorhaben verfolgt. Zuletzt wurde die in Polen heftig kritisierte Nordstream-Pipeline in Betrieb genommen, die Gas von Russland unter Umgehung Polens durch die Ostsee nach Deutschland leitet – ein Projekt, das die Schröder-Regierung in Deutschland forciert hatte.
Fraglich bleibt, warum jetzt Jamal II, wahrscheinlich auf Initiative von Russlands Präsident Wladimir Putin, in Auftrag gegeben werden soll. Die EU versucht seit einiger Zeit ihre Abhängigkeit von russischem Gas durch vermehrten Import norwegischen Gases zu mindern. Zudem verfügt Gazprom bereits über massive Kapazitäten: die Pipelines in den Westen können bereits mehr als 250 Mrd. Kubikmeter Gas jährlich transportieren, genutzt werden aber nur rund 130. Eine Erklärung könnte die Ukraine sein, durch die zwei weitere Gasleitungen (Bruderschaft und Bündnis genannt) führen. Wegen des Dauerkonflikts um die Gaslieferungen und die Transitgebühren könnte Russland auf ein neues Druckmittel setzen. Daher appelierten bereits einige Stimmen aus der Ukraine an die polnische Regierung, den Bau einer neuen Leitung nicht zu akzeptieren.