Polen bekommt gerade eine neue Premierministerin. Doch noch nicht im Amt wird Ewa Kopacz aufgrund ihres Geschlechtes angegriffen. Ist Polen reif für eine Frau an der Spitze der polnischen Politik?
Morgen wird in Polen eine Premierministerin vereidigt, damit ist die Männerherrschaft nach rund 21 Jahren wieder unterbrochen – zuletzt regierte Hanna Suchocka von der Demokratischen Union (UD) von Juli 1992 bis Oktober 1993.
Doch ist das erzkatholische Land wieder reif für eine Frau am Steuer? Denn kurz nachdem Ewa Kopacz, Bürgerplattform (PO), im Gespräch war für das Amt mit dem größten realen Einfluss auf die Politik, sind seitens der politischen Gegner Argumente hervorgebracht worden, die man bei einem Mann nie artikulieren würde. Das Gerede begann mit dem emotionalen Zustand der 57-jährigen Frau, die vor ihrer politischen Karriere als Ärztin Leben rettete. Sie sei emotional instabil und erinnere gelegentlich an eine Furie, so der Tenor bösartiger Kommentare von zumeist klerikal-konservativen Politikern. Zudem wird Kopacz angedichtet, sie sei inkompetent und unselbständig, aber sie könne entscheiden, welcher Jogurt gut schmecken würde.
Männer sind nicht anders
Fast gleichzeitig sprang die Presse auf diesen Zug auf und assoziierte mit ihr Margaret Thatcher, die Eiserne Lady, und Matka Polka (Polnische Mutter), die Kinder erzieht und den Haushalt alleine bewältigt, nach der Arbeit – und davor. Aktuell wird Kopacz aufgrund ihrer Rede auf der Pressekonferenz angegriffen, auf der sie ihre neuen Minister vorstellte. Die Rede der neuen Ministerpräsidentin sei unsachlich und schwach gewesen, so Kommentatoren der meinungsbildenden Medien. Sogar ihre Körpersprache wurde auseinandergenommen. Kritisiert wurde zum Beispiel, dass sie Grzegorz Schetyna und Cezary Grabarczyk, beide repräsentieren unterschiedliche und einflussreiche Fraktionen innerhalb der Bürgerplattform, die Hände hielt, um sie, wie bei Gewinner-Posen üblich, hoch zu heben.
Dumm nur, dass polnische Politiker-Männchen oftmals genauso emotional sind und die polnische Politik weit davon entfernt ist, ein Hort voller sach- und lösungsorientierter Pragmatiker zu sein. Vielmehr wird auf die Pauke gehauen, was das Zeug hält, und wer am lautesten schreit, wird ernst genommen und geschätzt. Kommt nun eine konsensorientierte Politikerin an die Macht, dann ist sie gleich schwach und unselbstständig. Warum eigentlich? Wäre denn nicht ein anderer Duktus in der polnischen Politik viel nützlicher als das übliche Gebrüll von Alpha-Männchen?