In den Reihen der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) macht sich immer mehr Unbehagen über den offiziellen Kurs der Partei breit. Parteichef Jaroslaw Kaczynski hält weiterhin einen Anschlag für den Grund des Flugzeugabsturzes 2010 bei Smolensk, bei dem unter anderem sein Bruder Lech Kaczynski – damals Staatspräsident – ums Leben kam. Besonders der PiS-Abgeordnete Antoni Macierewicz ist die treibende Kraft bei der Verbreitung dieser Theorie im eigenen Lager. Laut dieser Theorie hätte Russland unter Mithilfe und Vertuschung der polnischen Regierung um Ministerpräsident Donald Tusk einen Sprengstoffanschlag auf die polnische Staatsführung durchgeführt. Kaczynski und Macierewicz nutzen diese These, um heftige Angriffe gegen die Regierung zu führen und das eigene Lager ideologisch zu festigen.
Immer wieder kritische Stimmen
Nicht allen schmeckt diese Taktik: Für Aufsehen sorgt das gestrige Interview mit dem ehemaligen Rechtsanwalt von Jaroslaw Kaczynski. Rafal Rogalski hatte von 2010 bis März dieses Jahres seinen Mandanten im Fall „Smolensk“ vertreten und dabei auch immer wieder auf die Möglichkeit eines Anschlags hingewiesen. In dem Interview nimmt er jedoch klar dazu Stellung, dass es sich bei dem Absturz der Tupolew um einen Unfall handelte, der durch Piloten- und Lotsenfehler entstanden sei. Die Hauptschuldigen der Katastrophe von Smolensk seien „an Bord der Maschine gestorben“ – für alles andere gebe es keine Beweise. Besonders scharf kritisierte er auch Macierewicz, dem es „nicht um die Wahrheit gehe“, sondern „um sein eigenes politisches Interesse“.
Kritiker in der PiS sind noch stumm
Auch der PiS-Abgeordnete Zbigniew Girzynski ließ letzten Monat Kritik an der parteieigenen Theorie zum Flugzeugabsturz verlautbaren. Seiner Ansicht nach, gebe es keine Beweise für einen Anschlag oder dass drei Menschen das Unglück überlebt hätten, wie von Macierewicz behauptet. Für diese Äußerung wurde Girzynski zu Parteichef Kaczynski zitiert und gerügt.
Medien spekulieren, dass innerhalb der PiS zwischen 30 und 50 Abgeordnete (von aktuell 138) zur Gruppe der „Ungläubigen“ gehören, die nicht an die Anschlagstheorie glauben, aber aus Parteidisziplin stumm bleiben und mitziehen.