Über Polen hat sich das Sommerloch ausgebreitet – neben der Ukraine und dem Wetter sind jetzt auch Verkehrsvergehen in den polnischen Medien prominent vertreten. Ganz besondere Berühmtheit erlangt ein durch Warschau rasender BMW M3. Doch das dahinter stehende Problem ist ernst und eine Verbesserung der Situation ist nicht in Sicht.
Nach den Europawahlen und der weitgehenden Aufarbeitung der Ergebnisse hat sich in Polen zurzeit das Sommerloch eingenistet. In den polnischen Leitmedien wie Rzeczpospolita oder Gazeta Wyborcza spielen hauptsächlich internationale Themen um den Ukraine-Konflikt eine Rolle. Und wenn mal der Fokus auf Polen fällt, dann steht das Wetter an prominenter Stelle.
Das Nachrichtenportal tvn24.pl hat die Fähigkeit, eine Leerstelle zu füllen, gerade zu einer Kunst erhoben. Die Nachrichtenseite beschäftigt sich aktuell mit einem Verkehrssünder, der vor einiger Zeit quer durch Warschau gerast ist. Trotz 30 km extremer Fahrweise durch Warschau, dem modernsten Monitoring-System Polens und der Vorbeifahrt an mindestens einer Polizeistreife wurde der Verkehrsrowdy nicht verfolgt und nicht angehalten. Aufgeflogen ist die Fahrt des weißen BMW M3 erst, nachdem der Fahrer eine Aufnahme der Horrorfahrt, während dieser er sich heiße Verfolgungsjagden mit Motorrädern lieferte, auf Youtube veröffentlichte.
Nun wundert sich ganz Polen, dass diese Fahrt mit Spitzengeschwindigkeiten von über 200 km/h trotz dem modernen Monitoring unentdeckt blieb und die Polizei erst Ermittlungen aufgenommen hat, nachdem es in den Medien zu brodeln begann.
Video: Die aufsehenerregende Fahrt des BMW M3 durch Warschau // Quelle YouTube
Alltäglicher Horror auf polnischen Straßen
Der Öfteren werden extreme Verkehrsverletzungen in den polnischen Medien veröffentlicht und jedes Mal ist die mediale Aufregung groß. Kommentatoren wundern sich, dabei weiß jeder Pole, der auch nur hin und wieder mit dem Auto unterwegs ist, dass in Polen Verkehrsverletzungen zum Alltag gehören. Da das Autobahnnetz noch nicht soweit ausgebaut ist wie zum Beispiel in Deutschland oder Frankreich, führen viele Fahrten über die Landstraße. Auf dieser wird dann regelmäßig dort überholt, wo es nicht erlaubt ist. Sehr beliebt ist auch das Überholen bei Gegenverkehr. Das entgegenkommende Fahrzeug und der gerade Überholte müssen dann auf den Standstreifen ausweichen. Hier haben sich mit den Jahren Gewohnheiten etabliert.
Darüber hinaus werden gelegentlich Berichte über Politiker veröffentlicht, die auf dreiste Weise die Verkehrsregen brechen, dann aber aufgrund ihrer parlamentarischen Immunität ohne Strafe davonkommen. Und Chaosfahrten von Spitzenpolitikern sind, wegen der Zeitnot, allgemein akzeptiert.
Also alles nicht so schlimm? Polen ist neben Rumänien und Luxemburg führend bei den Verkehrstoten. Dieses wird sich aufgrund der Verkehrsinfrastruktur und der Einstellung der Fahrer so schnell nicht ändern. Zwar werden immer mal wieder Diskussionen über diesen Zustand geführt und auch Verschärfungen des Verkehrsrechts eingeführt, doch praktisch ändert sich nur ganz langsam was. Zumindest ist es seit einigen Jahren nicht mehr die Regel, dass man „mit einer kleiner Gebühr“ beim Verkehrspolizisten mit einer Ermahnung davonkommt.
Bild: Polnische Polizei // (cc) Lukas Plewnia / Polen Heute [CC BY-SA 2.0] / Flickr