Treffen der Visegrad-Gruppe – Sicherheit an allen Ecken

Beim Treffen der Visegrad-Gruppe in Warschau ging es vor allem um Sicherheit. Viktor Orban überraschte mit dem neuerlichen Vorstoß für eine europäische Armee. Beata Szydlo will die EU stärken, humanitäre Hilfe aber nur im Ausland leisten. Angela Merkel zeigte sich kompromissbereit.

Merkel, Szydlo, Orban // (cc) P. Tracz / KPRM [Öffentliche Domäne] / FlickrAm heutigen Freitag begrüßte Ministerpräsidentin Beata Szydlo neben Kanzlerin Angela Merkel auch die Ministerpräsidenten Robert Fico (Slowakei), Bohuslav Sobotka (Tschechien) und Viktor Orban (Ungarn) in Warschau. Das Treffen der sogenannten Visegrad-Gruppe in der polnischen Hauptstadt sollte den kommenden EU-Gipfel am 16. September in Bratislava vorbereiten, der sich auch mit dem Brexit befassen wird. Schwerpunkt der Gespräche war erwartungsgemäß die Migrationsthematik und die „Sicherheit“.

Taktgeber des Gespräches war Viktor Orban, der den Journalisten in die Notizblöcke diktierte, dass die EU an einem großen Vertrauensverlust leide – in der Wirtschaftskrise und in Fragen von Migration und Sicherheit. Der Rat der EU solle wieder anfangen die EU zu leiten. Die EU-Kommission solle sich aus der Politik zurückziehen und ihre eigentlichen Aufgaben erledigen. Dies könnte als Seitenhieb gewertet werden für die viele Kritik, die der Premier in den letzten Jahren aus Brüssel für seinen autoritären Führungsstil einstecken musste.

Orban sprach sich zudem für eine sehr restriktive Budgetpolitik der EU aus, die auf Wirtschaftswachstum ausgelegt sein soll. Ansonsten habe die Sicherheit höchste Priorität. Man sollte endlich den Bau einer gemeinsamen europäischen Armee starten, so der Ministerpräsident Ungarns. Weitere Details nannte er jedoch nicht.

Auch Robert Fico sprach viel von Sicherheit, wenn auch in erster Linie von wirtschaftlicher Sicherheit. Der Tscheche Bohuslav Sobotka stimmte der von Orban angedeuteten Zusammenarbeit bei der Verteidigung, etwa einer gemeinsamen Armee, grundlegend zu.

Polen zurückhaltend

Visegrad-Gruppe // (cc) P. Tracz / KPRM [Öffentliche Domäne] / FlickrAuch Angela Merkel betonte den Stellenwert der Sicherheit, wollte dies jedoch nicht nur auf Terrorismus eingegrenzt wissen. Merkel sagte, mehr für Sicherheit und Verteidigung zu tun sei möglich. Der Lissabon-Vertrag eröffne diese Möglichkeit. Es gebe – neben dem Terrorismus – viele Projekte anzugehen. Eine konkrete Absage an eine gemeinsame Armee war das nicht – wenn auch keine direkte Zusage.

Beata Szydlo sagte, die EU ändere sich, aber man müsse sicherstellen, dass sie nach dem Brexit eine starke Einheit bleibe, welche den Bürgern Sicherheit garantiere. Die EU sei für Polen wichtig und müsse so funktionieren, dass niemand mehr austreten wolle. So müsse es eine klare Antwort auf Terrorismus und Migrationskrise geben. Dabei müsse es einen Kompromiss für humanitäre Hilfe an Länder, in denen Krieg herrsche, geben. Außerdem solle die Grenzsicherheit erhöht werden. Eine Aufnahme von Geflüchteten sprach Szydlo nicht an. Polen gibt bisher rund 0,1 Prozent des BIP für internationale Entwicklungszusammenarbeit aus (Deutschland: ca. 0,5 Prozent). Außerdem ist der Durchfluss des Geldes an die Bedürftigen bekanntlich nicht immer gegeben.

Polen zeigt sich auch bei dem Vorschlag zur europäischen Armee noch zurückhaltend. Hier herrscht offenbar die Angst vor, dass dies das Bündnis mit den USA und der NATO schwächen könnte.

Im Vorfeld war das Visegrad-Treffen als möglicher Spießrutenlauf für Merkel angekündigt worden. Dies schien auszubleiben. Alle Politiker scheinen sich zumindest grundlegend einig zu sein. Das polnische Außenministerium kommentierte das Treffen sehr positiv. Es gebe keine Kontroversen und unüberbrückbaren Differenzen.

Bilaterale polnisch-deutsche Gespräche

Merkel startete den Besuch in Warschau mit einem bilateralen Treffen bei Beata Szydlo. Im bilateralen Gespräch ging es neben den stetigen Themen Sicherheit und Wirtschaft auch um die Reform der EU in Folge des bevorstehenden Austritts Großbritanniens.

Auch die Ukraine-Krise und ein spezielles deutsch-polnisches Thema sollen angesprochen worden sein: die Wegnahme von Kindern in Deutschland lebender Polen durch das deutsche Jugendamt. Szydlo wolle darauf hinwirken, dass Merkel sich darum kümmere, dass polnische Familien „nicht so verletzt werden“. Erst am Mittwoch hatte ein Fall in Baden-Württemberg für Aufsehen in Polen gesorgt. Dort hatte ein Familiengericht die Rückgabe eines Neugeborenen an seine polnische Mutter angeordnet. Das Jugendamt hatte das Kind Anfang September drei Tage nach der Geburt an sich genommen und in eine Pflegefamilie gegeben.

Auch die Entsendungsrichtlinie und mögliche Asylrechtsänderungen wurden besprochen. Polen sei für die Stärkung des Binnenmarktes und gegen protektionistische Maßnahmen, so Szydlo leicht verklausuliert. Gemeint ist, dass Polen sich gegen die geplante Reform der 20 Jahre alten EU-Entsenderichtlinie wendet. Laut dieser sollen Arbeitnehmer Mindestlöhne erhalten, die sich nach den Löhnen im Aufnahmeland richten sollen. Polen sieht damit sein erfolgreiches „Exportmodell“ von gut ausgebildeten, günstigen Arbeitnehmern in andere EU-Länder gefährdet.

Außerdem wollte Szydlo das Projekt Nord Stream 2, eine Gasleitung aus Russland nach Westeuropa unter Umgehung Polens, als Sicherheitsrisiko für Europa kritisieren. Das Projekt spalte Europa, so die Ansicht Polens.

Bild 1: Merkel, Szydlo, Orban // (cc) P. Tracz / KPRM [Öffentliche Domäne] / Flickr

Bild 2: Visegrad-Gruppe // (cc) P. Tracz / KPRM [Öffentliche Domäne] / Flickr