Eltern behinderter Kinder haben heute Premierminister Tusk hohe Sozialleistungen abgerungen. Doch damit sind sie nicht zufrieden und fordern mehr. Derweil stellen sich Fragen der sozialen Gerechtigkeit.
Seit Mittwoch besetzen Eltern behinderter Kinder das polnische Parlament (Sejm). Im Grunde wollen sie höhere Leistungen aus den Sozialkassen für ihren finanziellen Aufwand und ihre Pflegeleistung. Heute waren sie erfolgreich: In einem Gespräch mit den Eltern verkündete Premierminister Donald Tusk, Bürgerplattform (PO), dass ab dem 1. Mai dieses Jahres Eltern von behinderten Kindern einen Zuschuss von ca. 250 Euro monatlich erhalten sollen. Ab 2015 sollen es dann ca. 300 Euro sein und ab 2016 sollen die Leistungen dem Mindestlohn entsprechen. Ein solches Gesetz solle schnellstmöglich durch die Legislative gebracht werden, so Tusk.
Die Eltern im Sejm sind hingegen nicht zufrieden, was sie auf besonders emotionale Weise beim Gespräch mit Tusk zum Ausdruck brachten. Sie wollen nämlich schon jetzt Sozialleistungen in Höhe des Mindestlohns, der zurzeit ca. 310 Euro netto beträgt. Und dies sei eine Minimalforderung, mit der man der Regierung entgegen kommen wolle. Tusk erwiderte, er mache alles, was in seiner Macht stehe, aber mehr sei leider nicht möglich.
Gesellschaftliche Gerechtigkeit
Natürlich ist es für Eltern schwierig Sorge für Kinder mit Behinderungen zu tragen. Der finanzielle Aufwand übersteigt in der Regel ein Vielfaches dessen, was Eltern für gesunde Kinder aufwenden müssen. Doch der polnische Sozialstaat ist vom Grunde auf wesentlich schwächer aufgestellt, als es zum Beispiel das deutsche Sozialsystem ist. Daher sind ca. 250 Euro im Monat an zusätzlichen Einkünften für diese gesellschaftliche Gruppe eine Privilegierung gegenüber zum Beispiel schwachen und alten Menschen, die oft mit sehr niedrigen Einkünften und Renten am Rande der Gesellschaft leben.
Die Eltern orientieren sich des Weiteren an dem Mindestlohn. Dieses erscheint inadäquat, da man die Pflege behinderter Kinder durch ihre Eltern nicht mit Erwerbsarbeit gleichsetzen kann. So ist auch die Erziehung von normalen Kindern privater Natur. Daher sind Eltern keine Angestellten des Staates, die zukünftige Arbeiter und Unternehmer ausbilden. Vielmehr befriedigen sie ihre privaten Bedürfnisse nach Familie und Kindern. Ein Zwang zum Kinderkriegen besteht nicht. Behinderte Kinder hingegen müssen alle Unterstützungsleistungen vom Staat erhalten, die sie für ein menschenwürdiges Leben benötigen. Ihre Eltern sollten jedoch nicht ausgezeichnet werden.
An diesem Beispiel zeigt sich zudem, dass ein öffentlichkeitswirksamer Auftritt einer gesellschaftlichen Gruppe erfolgversprechend ist. Das ist für andere Gruppen Anreiz genug, um auch auf die Barrikaden zu gehen. Ferner fehlt das Geld nun an anderer Stelle – bei der Infrastruktur, die in Polen sehr schwach entwickelt ist. Damit zeichnet die Gesellschaft eine bestimmte Gruppe aufgrund ihres guten Marketings aus. Die Kosten tragen alle Einwohner, die die Verkehrsinfrastruktur des Landes nutzen.
Gerechter wäre anstatt höherer Sozialleistungen, die Verlagerung der Pflege ins Gesundheitssystem. Krankenhäuser und mobile Pflegedienste müssten sich umfassend um die Kinder kümmern. Die Krankenkasse könnte die Kosten für das medizinische Gerät übernehmen.