Tusk und seine Regierung ringen um Zustimmung

24 Jun – 07 Jul 2013
Schlechte Umfragen: Sturz von Ministerpräsident Tusk? ++ Revolution im Rentensystem? ++ Katholischer TV-Sender wird digital.

Sitze der Premierministerin in WarschauSchlechte Umfragen: Sturz von Premierminister Tusk?

Seit einigen Monaten nimmt die Unterstützung für die polnische Regierung merklich ab. Ende Juni waren nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts CBOS nur noch 19 Prozent der Befragten der Meinung, die Regierung leiste gute Arbeit.

Eine hohe Arbeitslosenquote, eine Zunahme der Armut und ein schnell wachsendes Staatsdefizit vervollständigen dieses Bild. Daher planen die wichtigsten Gewerkschaften für September eine Streikwelle. Ministerpräsident Donald Tusk von der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO) kann sich auf einen politisch stürmischen Herbst einstellen.

Nun hat eine weitere schlechte Nachricht die Regierung erschüttert. In einer Anfang Juli veröffentlichten Umfrage erlitt Tusk einen herben Rückschlag. Nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Millward Brown liegt die rechtsklerikale Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in den Umfragen um neun Prozentpunkte vorn. Die PiS erhielt eine Zustimmung von 35 Prozent, während die regierende Bürgerplattform nur 26 Prozent erhielt. Dies wäre noch vor einem Jahr undenkbar gewesen.

Seit den Parlamentswahlen im Jahr 2007 lag die Bürgerplattform in den meisten Umfragen mit einem komfortablen Vorsprung von etwa 10 Prozentpunkten vor der PiS. Aufgrund dieser jüngsten Entwicklungen hat die von den Medien oft geschmähte Partei Recht und Gerechtigkeit viel Selbstvertrauen gewonnen. Auf einer Pressekonferenz sagte ihr Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski unter Bezugnahme auf die Umfragen, dass die Unterstützung der Bevölkerung für seine Partei mindestens dreimal so hoch sein sollte wie jetzt und sich auf mindestens 45 Prozent belaufen sollte.

Die derzeitige hohe Unterstützung für Recht und Gerechtigkeit lässt sich nicht allein durch Fehler der Regierung erklären. Seit Wochen arbeitet die PiS daran, ihr eigenes Profil zu schärfen. In erster Linie kritisiert die Partei die soziale Lage in Polen und die politische Führung des Landes. Extreme und polarisierende Stimmen sind in den Hintergrund gerückt.

Revolution im Rentensystem?

Im Jahr 1999 wurde in Polen ein völlig neues Rentensystem eingeführt. Kritiker bezeichnen es als neoliberal. Das vorherige System beruhte auf den Beiträgen der arbeitenden Bevölkerung und wurde als Leistungen direkt an die Rentner ausgezahlt. Heutzutage fließt ein großer Teil der Pflichtbeiträge in ein System (offene Rentenfonds, OFE), das von privaten Unternehmen (PTE) verwaltet wird.

Daher wird ein Teil der laufenden Rentenleistungen aus dem Staatshaushalt bezahlt. Dies ist relativ unproblematisch, da die PTEs das Rentenkapital meist in sichere Staatsanleihen investieren. Nur ein relativ geringer Betrag fließt in Aktien. Ein negativer Nebeneffekt ist jedoch der Anstieg der Staatsverschuldung. Infolgedessen wurde der Anteil der OFE am Rentensystem vor zwei Jahren reduziert. Außerdem wurde das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre angehoben.

Seit einigen Tagen wird in den polnischen Medien über eine mögliche Revolution im Rentensystem berichtet. Zwei Vorschläge liegen auf dem Tisch: 1. Übertragung aller Beiträge aus dem OFE-System auf das staatliche Rentensystem. 2. Die Teilnahme am privaten Rentensystem soll freiwillig sein: Diejenigen, die im privaten System bleiben wollen, müssten höhere Beiträge für die Versicherung zahlen.

In den nächsten zwei Monaten werden Experten diese Vorschläge diskutieren und eine Lösung finden, die als konkreter Gesetzentwurf in das polnische Parlament eingebracht werden kann. Bedenken hinsichtlich des Eigentums an den Beiträgen, die in die offenen Rentenfonds eingezahlt werden, müssen geprüft und ausgeräumt werden.

Katholischer TV-Sender wird digital

Seit vielen Monaten kämpft der Priester und Redemptorist Tadeusz Rydzyk um eine Lizenz, die es TV Trwam ermöglicht, digital zu senden. Der Fernsehsender ist Teil von Rydzyks wachsendem Medienimperium, zu dem auch die Tageszeitung Nasz Dziennik und Radio Maryja gehören.

Anfang Juli hatten Rydzyk und seine zahlreichen Anhänger allen Grund zur Freude: Der Nationale Rundfunkrat (KRRiT) erteilte dem religiösen Sender die lang ersehnte Lizenz. Im religiösen Lager ist man jedoch erstaunt, denn viele glaubten, dass der Sender niemals digital senden würde.

Diese Entscheidung war das Ergebnis eines langen Kampfes: Normalerweise findet die Erteilung einer Lizenz in den polnischen Medien keine große Beachtung. Aber der Kampf um TV Trwam war hartnäckig und intensiv. Rydzyks Medieninstitutionen und Anhänger organisierten mehr als hundert Demonstrationen in vielen polnischen Städten. Etwa mehrere Millionen Menschen nahmen daran teil.

Der Nationale Rundfunkrat begründete die Ablehnung des Lizenzantrags von TV Trwam unter anderem damit, dass der Sender seine finanzielle Situation unzureichend offengelegt habe. Nach den Parlamentswahlen im Jahr 2007 war jedoch ein Mangel an politischem Willen zu spüren. Seitdem hat sich die regierende Koalition aus liberal-konservativer Bürgerplattform (PO) und konservativer Polnischer Bauernpartei (PSL) dafür ausgesprochen, den Einfluss der katholischen Kirche im öffentlichen Raum zu begrenzen.

Der Rat hat jedoch seine Meinung geändert, der neue Antrag auf Erteilung der Rechte erfüllt alle Anforderungen. TV Trwam wird daher ab April 2014 über das digitale Fernsehsignal in Polen zu empfangen sein. Wird Polen nun katholischer werden?