Ministerpräsident Donald Tusk nannte die veröffentlichten Aufzeichnungen im Abhörskandal einen „versuchten Staatsstreich“. Es werde aber keine personellen, politischen Konsequenzen geben. Die Opposition dagegen verlangt eine Auflösung des Parlamentes und will Misstrauensanträge stellen. Die politische Szene in Polen ist in heller Aufregung.
Heute hat Ministerpräsident Donald Tusk (Bürgerplattform, PO) auf einer Pressekonferenz Stellung zum neuen Abhörskandal in Polen genommen. Vor zwei Tagen hatte das Magazin Wprost heimlich gemachte Tonaufnahmen veröffentlicht, auf denen unter anderem Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz und Ex-Transportminister Slawomir Nowak zu hören sind. Nach Tusks Einschätzung hat sich jedoch das Gespräch zwischen dem Innenminister und Zentralbankchef Marek Belka im gesetzlichen Rahmen gehalten, auch wenn die Ausdrucksweise der beiden zu wünschen übrig lasse. Daher sehe er auch keinen Anlass, Sienkiewicz zu entlassen wie es viele fordern, so Tusk.
Anders sehe die Sache jedoch bei Ex-Minister Nowak aus, der heute aus der Bürgerplattform ausgetreten ist. Auf den Aufnahmen soll zu hören sein, wie Nowak staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen seine Frau beeinflusst hat. Die politische Karriere des bereits vor einiger Zeit geschassten Ministers sei vorbei, sagte Premier Tusk. Die Aufzeichnungen seien für ihn aber eine Enttäuschung gewesen, die nun auch die persönliche Beziehung zu Nowak belasteten. Doch damit solle sich die Staatsanwaltschaft beschäftigen. Weitere politische Konsequenzen seien nicht möglich, so der Premier.
Im Allgemeinen nannte Donald Tusk die Aufzeichnungen „einen versuchten Staatsstreich“, den man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Zum ersten Mal seit 1989 seien geheime Aufzeichnungen nicht von einem der Gesprächspartner gemacht worden, sondern von dritten. Zudem sei die Bespitzelung über einen längeren Zeitraum und gegen mehrere Ziele ausgeübt worden.
Opposition aufgebracht
Die Opposition ist derweil aufgebracht. Deine Bewegung-Parteichef Janusz Palikot (TR) sagte, er habe seit langem keinen Menschen in so kurzer Zeit so lügen hören wie Ministerpräsident Donald Tusk auf der Pressekonferenz. Nach Ansicht Palikots müsste der Sejm aufgelöst werden und Neuwahlen stattfinden. Das sehen die rechten Oppositionsparteien Recht und Gerechtigkeit (PiS) und Solidarisches Polen (SP) ähnlich. Sie bereiten Misstrauensanträge vor – einmal gegen Minister Bartlomiej Sienkiewicz und einmal gegen die gesamte Regierung Tusk. Außerdem haben sie angekündigt, sich mit den anderen Oppositionsparteien auf einen Gegenkandidaten als Ministerpräsident zu einigen (auch in Polen gilt das konstruktive Misstrauensvotum). Ob Deine Bewegung und der Bund der Demokratischen Linken (SLD) mitziehen, darf aber bezweifelt werden. Der SLD hat derweil eine Fragestunde im Parlament beantragt.
Die Bauernpartei (PSL), der kleine Koalitionspartner, hat für Mittwoch früh eine Krisensitzung des Vorstands einberufen, um „verschiedene Szenarien“ zu beraten. Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz hat unterdessen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gegen den unbekannten Urheber der Tonbandaufzeichnungen erlassen. Die politische Szene in Polen ist also gerade in heller Aufregung, während Ministerpräsident Donald Tusk versucht, die Situation herunterzuspielen. Noch ist nicht ganz klar, welche Konsequenzen die Affäre haben wird.