Eines der wichtigsten Themen in Polen ist die Ukraine-Krise. Durch das kurzzeitige Überflugverbot der russischen Regierungsmaschine mit Außenminister Schoigu an Bord wird die Stimmung weiter angeheizt. Doch das Weiße Haus ist um Entspannung bemüht. Wird Polen da mitmachen?
Getrieben werden die polnischen Medien zurzeit von zwei Themen – und beide erlangten Prominenz in Deutschland. Zum einen ist da die Wahl zum Präsidenten des Europäischen Rates, die heute ansteht. Sogar der Deutschlandfunk meldete heute, Premierminister Donald Tusk (Bürgerplattform, PO) sei Favorit für den Posten. Ein Wechsel würde in Polen einem Erdrutsch für die Bürgerplattform darstellen und nahezu eine Regierungskrise auslösen. Denn mit Ausnahme von Tusk hat keine zurzeit einflussreiche PO-Führungskraft auch nur annähernd so viel Charisma oder Einfluss in der Partei. Viele parteiinterne Konkurrenten, die dem Job gewachsen sind, haben sich in der über zehnjährigen Geschichte der Bürgerplattform selbst diskreditiert.
Zum anderen fällt der Fokus auf die Ukraine-Krise. Gestern meldeten auch deutsche Medien, dass Polen kurzzeitig dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu den Überflug von polnischem Staatsgebiet verbot. Offiziellen Meldungen zufolge soll es sich dabei um einen Formfehler der russischen Piloten gehandelt haben, die einen militärischen Überflug anmeldete. Einige Stunden später konnte Schoigu dann über Polen fliegen – mit einem zivil angemeldeten Überflug. Viele Kommentatoren und Beobachter werten das jedoch als offene Provokation gegenüber Russland, weil sich Polen in den letzten Jahren als nicht gerade russlandaffin zeigte. Und heute kündigte Sergei Naryschkin, Vorsitzender der Duma, eine weitere Abkühlung der Beziehungen an.
Keine NATO-Basis in Polen
Doch während in Polen die Emotionen hochkochen und für viele Kommentatoren ein Krieg unausweichlich bevorsteht, ist das Weiße Haus wohl um Deeskalation bemüht. Es werde keine NATO-Basen in den Baltischen Staaten und in Polen geben, so ein Sprecher der US-amerikanischen Regierung. Dies werde daher kein Thema auf dem nächsten NATO-Gipfel in Newport/Wales sein, der Anfang September stattfindet. Es werde jedoch darüber gesprochen, wie das Sicherheitsgefühl in den betreffenden Ländern gestärkt werden kann.
Doch wird Polen da mitmachen? Führende Politiker setzen sich schon seit Jahren für eine stärkere Präsenz der NATO in Polen ein. Zu tief liegen die geschichtlich gewachsenen Ängste. Zu viel Angst besteht vor dem Russen, der in Polen noch immer vor der Haustür steht. Zu stark sind Befürchtungen einer Einigung über Polen hinweg, die das Land einen großen Teil seiner Souveränität koste könnte. Auch deswegen träumen viele polnische Sicherheitspolitiker von einer, am besten großen, NATO-Basis in Polen. Wird das Land zwischen Oder und Bug also auf den amerikanischen Kurs einschwenken? Doch die Frage muss wohl anders gestellt werden: Hat Polen eine Wahl?